Martina Steinkühler / Angela Holzmann: Wie schön, dass du mich gefunden hast

Eine kleine Geschichte gegen große Angst – so nennen Martina Steinkühler und Angela Holzmann ihr Bilderbuch über David, die Schafe seines Vaters und das kleinste Lämmchen, das der Junge besonders behütet, auf seinen Schultern trägt und umsorgt. Bis es eines Tages verschwunden ist. David geht los, um es zu suchen, nimmt viele Mühen auf sich und könnte sich nicht mehr freuen, als er es wohlbehalten wieder zurück zu seiner Herde bringen kann.
Doch David fühlt sich auch einsam, fragt sich, wer ihn behütet und vor Schaden bewahrt und wünscht sich, eines seiner Schäfchen zu sein.

Frei nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ arbeitet dieses Bilderbuch mit einem biblischen Thema. Psalm 23 wird hier kindgerecht umgesetzt. Und mal abgesehen von der für kleine Kinder an manchen Stellen ein wenig zu hochtrabenden Sprache ist den beiden Autorinnen hier ein sehr ansehnliches Bilderbuch gelungen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Zeichnungen sind äußerst gelungen.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Rafik Schami: Der Schnabelsteher

Rafik Schami ist einer der besten Autoren, die Deutschland heute zu bieten hat. Und sein aktuelles Kinderbuch „Der Schnabelsteher“ ist eines der herausragendsten Werke des Jahres 2013.

Auf einem alten Walnussbaum lebten einst viele Raben – so beginnt das Buch, das die Geschichte eines kleinen Vogels erzählt, dessen Vater das Opfer eines Adlers wurde und dessen Mutter ihn nun alleine aufzieht. Und ihn deswegen auch oft alleine lassen muss. Doch anstatt Solidarität von den anderen Rabenmüttern zu erfahren, schimpfen diese nur über den Jungen, der immer wieder aus dem Nest klettert, um mit den anderen zu spielen. Sie sind gemein zu ihm und die einzige, die ihn tröstet, ist Mama. Doch der Kleine wird von Tag zu Tag selbstständiger und kommt auf immer irrwitzigere Ideen, seine Zeit zu verbringen. Unter anderem perfektioniert er das Schnabelstehen – tief beneidet von seinen Freunden, die das auch gern könnten, denen ‚solche Flausen‘ aber schnell ausgetrieben werden. Doch als Mini-Rabe dann auch noch die Daseinsberechtigung des Vogelkönigs anzweifelt und dem eitlen Pfau Paroli bietet, wandelt sich das Blatt.

Diese Geschichte über einen kleinen Rabenjungen, der so viel Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen und der von seiner Mama in einer kalten Welt so viel Liebe erfährt, dass er mühelos diesen Mut aufbringt, ist rührend. Und sie öffnet die Augen. Für Kinder, die es im Leben nicht leicht haben, weil ihre Eltern einen dornigeren Weg gehen müssen, als andere. Die aber umso mehr von deren Liebe profitieren.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Annette Neubauer, Daniela Kohl: Susi Supergirl – Die Ratte muss weg

Als Suis von der Schule kommt und ihre Mutter ihr Dosensuppe und gekauften Wackelpudding serviert, da weiß die Elfjährige, dass hier irgendetwas überhaupt nicht stimmt. „Susanne, ich muss mit dir reden“, ein Satz der das einläutet, was Susi schon befürchtet hat: die Katastrophe. Papa ist weg. Er hat sich in eine andere Frau verliebt und ist sang- und klanglos ausgezogen. Und als dann auch noch kurz danach bei Mama ein Neuer auftaucht und sie nach kürzester Zeit schon mit dem und seinen Kindern, dem 15-jährigen Akne-Boy und der achtjährigen Ratte, zusammenleben soll, hat Susi die Nase gestrichen voll. Doch als ihre Schikanen der Grund dafür zu sein scheinen, dass Ratte plötzlich verschwunden ist, wird schnell klar: Das hat Susi so nicht gewollt. Ein Fall für Suis Supergirl.

Susi Supergirl ist immer da in der Stunde der Not. Geschaffen von der Elfjährigen, um den Kummer über die Trennung und die Folgen überhaupt auszuhalten. Susi Supergirl fliegt den Problemen einfach davon…und irgendwann beginnt sie, diese zu lösen. Und damit, Susi und das Supergirl wieder zu einer Person zu vereinen.

Ein Buch, das genau auf die Zielgruppe zugeschnitten ist. Nicht nur Trennungskinder finden sich in der Hauptperson wieder, letztendlich betrifft die Thematik des Supergirls alle möglichen Probleme dieser Altersklasse. Daher gibt es auch einen Folgeband, in dem die Patchworkproblematik noch mehr im Mittelpunkt steht.
2.8 Stars (2,8 / 5)

„Im Land der Windmühlen lebten Männer, Frauen und Kinder, genau wie sonst auch überall. Bis eines Tages die Perfekten Maschinen kamen.“ So beginnt ein Bilderbuch, das aus der Masse heraussticht. Es geht um einen Ort, an dem kein Wunsch offen bleibt, alles perfekt ist – vermeintlich perfekt. Denn die Bewohner verlieren den Blick fürs Wesentliche. Alle bis auf Anna, die Schneiderin, die sich so sehr wünscht, etwas ganz Besonderes zu nähen. Meeressaum, Sternspitzen oder Wolkenumhänge. Eines Nachts bemerkt sie, dass sie nicht die einzige ist, der noch Herzenswünsche und Hoffnungen geblieben sind und bei der Suche nach einer Lösung für den Riesen, der gern fliegen möchte, erinnert sie sich an das Pusteblumenland.

Die Bilder dieses außergewöhnlichen Buches, gezeichnet von Valeria Docampo, sind wunderschön, zart, einfallsreich, anders als andere. Leider kann die Geschichte von Noelia Blanco nicht ganz mithalten. Sie ist nicht hundertprozentig kindgerecht formuliert, es fehlt ihr genau die Leichtigkeit, die die Bilder ausströmen. Möglicherweise liegt das auch an der Übersetzung. Schade, denn sonst wäre dieses geradezu poetische Bilderbuch regelrecht preisverdächtig.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Carey F. Armstrong-Ellis: Zehn Gruselmonster

Zehn kleine Negerlein kann theoretisch jeder, darf praktisch aber keiner mehr, weil politisch nicht korrekt. Warum dann nicht gleich ausweichen auf „Zehn Gruselmonster“ – wobei hier von „klein“ eher weniger die Rede sein kann. Eins sollte vorweg klar sein: Jedermanns Sache ist es nicht, dieses Bilderbuch und es sind eher die Jungs, die es klasse finden, vor allem diejenigen, die sowieso nicht auf allzu viel Text stehen.

Sie sind schaurig, diese zehn Gestalten, die beschlossen „Schrecken zu streun“. Wobei die Hexe, das Gespenst und der Vampir noch die harmlosesten der gruseligen Gesellen sind. Wie im klassischen Vorbild auch, geht Strophe für Strophe einer verloren – nur die Gründe sind andere. Dem einen fiel ein Fuß ab, der andere verliebt sich – bis am Schluss nur noch ein Gruselmonster übrig bleibt. Oder vielleicht doch nicht? Alles nur geträumt? Man weiß es nicht und eigentlich will man es auch gar nicht so ganz genau wissen. Man blättert lieber noch mal zurück und begibt sich auf die Suche nach den zahlreichen zeichnerischen Kleinigkeiten, die dieses Buch von Carey F. Armstrong-Ellis und seinen schaurigen Countdown erst so richtig ausmachen.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Nina Blazon: Polinas Geheimnis

Erik und Joanna sind Meister im Vertreiben von Nannys und Au-Pair-Mädchen. Aber Polina lässt sich nicht aus dem Konzept bringen, ist immer einen Tick schneller als die Zwillinge. Sie ist überhaupt irgendwie anders. Kann nicht kochen, kennt die normalsten Dinge der Welt nicht und ihre Erziehungsmethoden lassen zwar aus Lehrbuchsicht zu wünschen übrig, sind aber erstaunlich erfolgreich.
Die Autorin Nina Blazon hat sich schon einen ziemlichen Namen auf dem Buchmarkt gemacht, seit 2003 bewegt sie sich auf dem Parkett der Kinderbücher, hat unter anderem „Der Drache aus dem blauen Ei“ geschrieben. „Lesen ist lebenswichtig. Es ist gleichzeitig das Tor zur realen Welt und zu den Gedankenwelten anderer Menschen. Und es ist und bleibt die einzige Möglichkeit, mehrere Leben in verschiedenen Zeiten und Dimensionen zu leben und sie – was noch wichtiger ist – miterleben, nachfühlen und im besten Fall sogar verstehen zu können“, schreibt die Autorin auf ihrer Internetseite. Mit Polinas Geheimnis ist ihr ein Buch gelungen, das die Kinder fesselt. Sie wollen unbedingt wissen, wer oder was Polina wirklich ist, denn das sie alles andere als normal ist, das ist bereits ab den ersten Seiten klar. Aus Erwachsenensicht ist die Geschichte an manchen Stellen ein bisschen arg weit hergeholt, aber trotzdem schön vorzulesen. Flüssig geschrieben, Gute-Nacht-Geschichte-geeignete Kapitel und die witzige Sprache Polinas fügen sich zu einem lesenswerten Ganzen zusammen.

Kathryn Littlewood: Die Glücksbäckerei – das magische Rezeptbuch

Die Bäckerei der Familie Glyck wird nicht umsonst die Glücksbäckerei genannt. Man reißt ihnen die Sing-Sang-Ingwer-Cookies, die Tiefschlaf-Snickerdoodles und Liebesmuffins regelrecht aus der Hand. Versteht es Roses Mama doch nur zu gut, ein wenig Magie walten zu lassen und so ein ganzes Städtchen in Zufriedenheit zu hüllen. Ihr ganz besonderes Backbuch mit den zauberhaften Rezepten halten sie und ihr Mann vor den Kinder gut verschlossen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie verreisen müssen. Die Verantwortung, die jetzt auf den Schultern der Kinder liegt, liegt dort schwer und der Versuch, in die Fußstapfen der Mutter zu treten, führt zu einem absoluten Chaos. Im ersten Moment sind die Kinder da ziemlich erleichtert, als Tante Lilly auftaucht und sich als Retterin in der Not beweist. Doch Rose ist kritisch – ihr Bauchgefühl sagt ihr, dass mit der ach so liebenswürdigen Tante irgendetwas nicht stimmt: Wieso lässt sie sich jahrelang nicht blicken und kommt genau dann, wenn ihre Eltern nicht da sind? Und warum hat sie so ein ausgeprägtes Interesse an den Familienrezepten?

Die Geschichte, die sich für Mädchen ab der dritten, vierten Klasse eignet, hat sehr viel Zauberhaftes an sich. Ein bisschen erstes Schwärmen fürs andere Geschlecht, viel Magie und eine sympathische Heldin sind die richtigen Zutaten dafür, dass Kathryn Littlewood mit der Glücksbäckerei ein ganz wunderbares Buch gelungen. Und das, obwohl sie von sich selbst behauptet, eine gute Köchin, aber eine fürchterliche Bäckerin zu sein.

Durch die Vertonung mit Sascha Icks gewinnt die Glücksbäckerei noch an Wert. Nur das Ende, das kommt reichlich überraschend und ist irgendwie nicht ganz befriedigend – und lässt damit die Option auf eine Fortsetzung offen. Die in Buchform in Amerika bereits erschienen ist und auch hier nicht lange auf sich warten lassen wird.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Jens Schumacher: Asmoduin

Eigentlich wollte Bob nur ein bisschen mit seiner Lieblingscousine über den Flohmarkt schlendern und vielleicht ein kleines Schnäppchen aus dem Comicbereich machen. Dann aber zieht ihn diese Holzmaske magisch an – erklassig gruselig mit miesen Schlitzaugen und reißzahnbewehrtem Maul . Kaum zuhause, entdeckt er eine mathematische Formel, die ins Holz geschnitzt sind. Kein Problem für das Matheass, das nicht umsonst ein paar Kikos zu viel hat: viele Schokoriegel später hat Bob die Lösung gefunden: 666 – the number of the beast!

Und genau dieses Biest macht ihm ab sofort das Leben schwer. Asmoduin, der kleine durch die Formel befreite Teufel, lässt dabei nichts aus und ihn wieder loszuwerden entpuppt sich als deutlich schwieriger als gedacht.

Langweilig wird es Bob mit Asmoduin genauso wenig wie den Lesern. Das Buch hält einige witzige Stellen bereit und das Wesen aus der Hölle macht es dem Leser sehr schwer, es als etwas wahrlich Böses wahrzunehmen. Jens Schumacher zeichnet die Figur des Jungteufels auf der einen Seite hochnotpeinlich, auf der anderen fast schon menschlich. Wer allerdings mit seinen Zeichnungen komplett danebenlag, ist der Illustrator Helge Voigt. Der von ihm entworfene Teufel auf dem Cover sieht zwar extrem putzig aus – trotzdem, das Buch sollte man schon mal lesen, wenn man die Hauptperson illustriert. Dann wären so gravierende Fehler bei Asmoduins Äußerem sicher nicht passiert. Gut gelungen aber das ins Buch integrierte Daumenkino – ein schlagendes Argument gegen jedes E-Book.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Lori Sunshine/Jeffrey Ebbeler: Ich bin wirklich noch nicht müde

Toni plagt der Gedanke, was seine Eltern treiben, wenn er ins Bett muss. Es könnte ja sein, dass dann der Bär tanzt und der Spaß erst richtig losgeht. Also nimmt er sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen und gemeinsam mit seinem Teddy Pitt herauszufinden, was wirklich vor sich geht, abends wenn in seinem Zimmer die Lichter gelöscht werden. Vielleicht findet ein Zirkus in der Küche statt, mit Mama und Papa auf dem Trapez oder die beiden reiten auf Dinosauriern durch den Garten, beherbergen Astronauten, die gerade auf Papas Parkplatz gelandet sind oder lassen Fische im Badezimmer schwimmen. Wer weiß? Doch was Toni und Pitt dann herausfinden, übersteigt ihre kühnsten Vorstellungen…

Lori Sunshine und Jeffrey Ebbeler greifen ein Thema auf, das viele Kinder beschäftigt. Die Lösung aber, die sie den Kleinen mit ihrem sehr phantasievollen Bilderbuch anbieten, lässt zumindest die Eltern, deren Kinder bis jetzt keine Zweifel hatten an der Richtigkeit der Dinge im abendlichen Wohnzimmer, ein wenig erschaudern. Trotzdem: eine pfiffige Geschichte.
2.5 Stars (2,5 / 5)

Giuliano Ferri und Sueli Menezes: Nino, das Glühwürmchen

Viele Bilderbuchautoren bevorzugen die Darstellung ihrer Charaktere in Form von Tieren, meist Tierkindern und nutzen hier das so genannte ‚Kindchenschema‘. Und unsere Kleinsten lieben diese Bücher, in denen Mäuse, Tiger und Co an ihrer Stelle die aufregenden Dinge des Lebens erleben und sie dann davon lernen können.

Dieses Buch ist genau wie ‚Wachse, kleine Kaulquappe‘ ein besonders schönes Exemplar aus der Feder von Giuliano Ferri. Seine Zeichnungen sind immer etwas ganz besonderes und wunderschön in ihrer Art. In ‚Nino, das Glühwürmchen‘ würde es das kleine Insekt gerne mal schaffen, so hell und toll wie der Mond zu strahlen und weil dieser mit ihm Mitleid hat, bietet er ihm an, sozusagen für die Urlaubsvertretung zu sorgen. Und das tut er: Er trommelt alle seine Kumpels zusammen und versichert ihnen glaubhaft, dass sie gemeinsam stark genug seien, diese schwere Aufgabe zu lösen. Und es gelang ihnen auch, den Mond würdig zu vertreten. Eine wunderbare Sache, denn jetzt weiß dieser, dass er sich notfalls auch mal ausruhen kann.

Ein ganz zauberhaftes Bilderbuch für Jungs und Mädchen.
4.5 Stars (4,5 / 5)