Jojo Moyes: Weit weg und ganz nah – gelesen von Luise Helm

Jess ist eine Frau, die sich durchs Leben kämpft. Putzen geht und an einer Bar arbeitet, um genug Geld zu verdienen, damit es ihren Kindern an nichts fehlt. Und doch fehlt es an jeder Ecke. Nicht nur finanziell, sondern auch emotional. Jess kann sich bemühen, wie sie will, die Tatsache, dass sich ihr Mann aus dem Staub gemacht hat und angeblich keinen Penny zahlen kann macht der jungen Frau das Leben genauso schwer wie die Sorge um ihre Kinder. Tanzie ist nicht wie andere Zehnjährige. Statt sich mit Barbies und ersten Teenie-Idolen die Zeit zu vertreiben, löst sie inhomogene Gleichungen. Und Nicky, Jess Stiefsohn, hat es ebenfalls nicht leicht. Er wird gemobbt, weil er anders ist als andere. Weil er seinen Kummer auf seine Weise verarbeitet.
Auf der anderen Seite der Geschichte steht Ed, für den Jess putzt. Ein lebender Beweis dafür, dass reine Intelligenz auch nicht klüger macht. Er ist ein stinkreicher ITler, der einen massiven Fehler gemacht hat und dabei seine komplette Karriere in den Sand setzte.

Die Story verbandelt die beiden, als Tanzie eine einmalige schulische Chance bekommt und Jess das Geld nicht hat, um sie ihr zu ermöglichen. Bei einem Barbesuch verliert Ed betrunkenerweise einen Bündel Geldscheine und statt sie ihm zurückzugeben, behält Jess die Kohle, um Tanzie ihren Wunsch zu erfüllen. Doch dann ist sie plötzlich auf ihn angewiesen, er ist es, der sie quer durchs Land chauffiert, um ihnen zu helfen. Und er ist, der in Jess Gefühle weckt, an die sie schon gar nicht mehr geglaubt hat. Doch dann kommt er hinter ihren Betrug und zieht sich in sein Schneckenhaus zurück. Jess leidet fürchterlich, kommt aber bald zu dem Schluss, dass Liebeskummer ein Luxus ist, den sich eine alleinerziehende Mutter nicht leisten kann. Sie vergräbt ihren Kummer…

Man hätte die Inhaltsangabe auf tausend verschiedenen Wegen angehen können, denn nachdem man dieses Buch gehört oder gelesen hat, weiß man nicht genau, welcher Strang der Handlung denn nun der Wichtigste ist. Sie fügen sich dermaßen perfekt ineinander, geben ein so gelungenes Ganzes ab, dass man nicht einmal sagen könnte, wer hier die Hauptperson ist. Vielleicht Ed? Vielleicht Jess? Oder doch Tanzie oder Nicky? Wahrscheinlich ist es der Hund, Norman. Denn er ist irgendwie, wenn das überhaupt möglich ist, die tragischste Figur in diesem Roman.
Lesens – bzw. hörenswerter geht kaum noch. Dieses Buch erfüllt alle Anforderungen an gute Literatur. Und diese Sprecherin weiß, wie man gute Literatur in Hörgenuss umsetzt.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Astrid Ruppert: Wenn’s am schönsten ist

Peter, Lukas und Sabine waren einmal eine Familie. Doch das sind sie schon lange nicht mehr. Lukas lebt bei seiner Mutter. Der 18-Jährige macht bald Abitur, spielt leidenschaftlich gerne Klavier, hat eine feste Freundin und glaubt, nicht zu vermissen in seinem Leben. Bis er nach vielen Jahren wieder auf seinen Vater stößt.

Peter ist damals einfach weggewesen aus dem Leben des Jungen. Von einem Tag auf den anderen schien er kein Interesse mehr an seinem Sohn zu haben. Die Verletzung sitzt tief und wird auch diesmal wieder verstärkt. Peter rennt wieder weg. Weniger vor der Situation als mehr vor sich selbst, wie er schnell merkt. Es dauert eine ganze Weile, bis sich Vater und Sohn angenähert haben. Hoffnung, wiederentdeckte Gefühle und Verständnis füreinander werden immer wieder abgelöst von Wut und Enttäuschung. Doch mehr und mehr erkennen die beiden Ähnlichkeiten an sich, nähern sich an. Verstehen, welche Rolle Sabine bei der Entfremdung gespielt hat und wollen neu anfangen. Doch dann erfährt Peter, dass er Leukämie hat…

Die Art und Weise, wie Peter mit seiner Krankheit und dem bevorstehenden Tod umgeht, ist stark geprägt von seinem Drang nach Freiheit, auch innerer Freiheit.

Dieses Buch ist anrührend, traurig und hoffnungsvoll stimmend zugleich. Interessant auch die Darstellung weiterer Charaktere: Hanna, die mir ihrer unaufdringlichen Liebe zu Peter ganz tief in dessen Seele dringt, Sabine, die nach so vielen Jahren eine innere, befreiende Wandlung durchmacht, die sie von so vielen anderen alleinstehenden Frauen abhebt und Peters Eltern, die nur langsam, aber noch früh genug verstehen, dass es nie zu spät ist. Ein wunderschöner Roman über das Leben und Sterben.
4.9 Stars (4,9 / 5)

Sophia Rauchberg: ausgehoppelt

Anna liebt ihren Chef Marc und geht davon aus, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. Doch dem scheint nicht so zu sein. Statt ihr den langersehnten Heiratsantrag zu machen, schickt er sie in den Urlaub und das nicht ganz ohne Hintergedanken – er versucht, ihre Lorbeeren einzuheimsen und sie dafür aus dem Weg zu schaffen. Anna entscheidet sich für Österreich, sie will sich Marcs Familie mal genauer ansehen und gibt sich dort als dessen Assistentin aus. Nicht nur, dass das Land für sie ein Ort mit sieben Siegeln ist, es herrscht auch eine die ihr immer wieder Rätsel aufgibt. Doch nicht nur die Sprache ist rätselhaft, auch die Situation vor Ort ist verzwickt. Wer ist denn nun wer, und wer gehört zu wem, und welche Rolle spielt hier eigentlich Marc?

Dieses Buch fällt eindeutig unter die Kategorie unterste Schublade. Die Geschichte ist an den Haaren herbeigezogen, die Sprachwitze flach wie eine Flunder und die Ausdrucksweise der Autorin alles andere als sprachlich ansprechend. Da mag Sophia Rauchenberg, die in der Literaturwelt noch viele andere Namen hat, noch so viele gute Rezensionen bekommen haben, ein guter, humorvoller Roman sieht trotzdem anders aus.
0.8 Stars (0,8 / 5)

Scott Hutchins: Eine vorläufige Theorie der Liebe

Der frisch geschiedene Neill Bassett jr. hat einen ziemlich interessanten Job. Mithilfe des Tagebuchs seines verstorbenen Vaters haucht er einem Computer Leben ein. Mit den rund 5000 Seiten soll er einen Computer programmieren, der zu Gefühlen fähig sein soll. Eine Arbeit, die nicht nur den Computer emotional weiterbringt, sondern auch den jungen Mann. Gemeinsam entwickeln sie sich, lernen die Frauen verstehen und so ganz nebenbei kommt Neill dem Selbstmord seines Vaters auf die Schliche. Ein paar Verwicklungen und Missverständnisse um die künstliche Intelligenz inklusive. Indem man Neill über die Schulter sieht, bekommt man einen ungeschönten Blick auf die Defizite, die er mit sich herumträgt, auf das oft Erniedrigende seiner Situation.

Dieses Hörbuch gehört zu denen, die einem die Zeit gut vertreiben können. Auch, wenn man bisweilen, wenn es ein wenig herbeigezogen ordinär wird, lieber mal schnell weghört. Eine Stilblüte, die dem Autor eigentlich gar nicht steht und bei der der Lektor seinen Job hätte ein wenig besser machen können. Ist der Debütroman sonst doch so was von gelungen.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Trixi von Bülow: Ich wünsche mir, dass endlich mal was Schönes passiert

Sie ist mit 39 zwar nicht mehr jung, alt aber auch noch nicht. Fühlt sich aber so. Abgehetzt zwischen Kind und Job, alleinerziehend mit all den Widrigkeiten, die das Leben dann bereithält, kämpft sich Friederike Berger durchs Leben. Und träumt davon, dass endlich mal was Schönes passiert. Obwohl sie eher befürchtet, dass an ihrem 40. Geburtstag die Welt untergehen wird. Doch dann kommt es anders. Ihre Freundin Johanna entführt sie an einen kleinen, aber feinen Ort am Meer. Und sorgt damit ungewollt dafür, dass Fritzi einem wahren Traummann begegnet. Romantisch, sexy, zuvorkommend und offensichtlich ebenfalls über beide Ohren verliebt. Was soll da noch dazwischenkommen?

Frau mit fast vierzig, beruflich in der Verlagsbranche angesiedelt, Krise, Happy End – fertig aus. Der typische Frauenroman der heutigen Zeit? Bis zur Mitte vielleicht. Dann nimmt dieses Buch eine neue Wendung. Wenn auch manchmal sehr an den Haaren herbeigezogen, doch trotzdem leicht und beschwingt. Ein Roman, der es einen für ein paar Stunden vergessen lassen kann, dass die Widrigkeiten des Lebens einen gerade ärgern. Vor allem, wenn man weiblich, alleinerziehend und um die 40 ist!3.4 Stars (3,4 / 5)

Katherine Hannigan: Die Wahrheit, wie Delly sie sieht

Delly ist anders als andere Elfjährige. Ganz anders. Und Schüchternheit gehört nicht zu ihrem Repertoire. Meistens bringt ihr ihr Verhalten eine ganze Menge Ärger ein. Sie lässt Tiere frei, prügelt sich, wenn ihr was nicht passt und oft tritt sie mit ihren Aussagen anderen gewaltig auf die Füße, ohne es überhaupt zu merken. „Delly Pattinson war winzig. Ihr Haar lag in festen Locken um den Kopf wie ein kupferroter Heiligenschein, und ihre Stimme war so rau, als wäre ihr Hals ein Schotterweg. Delly Pattinson, das bedeutete Ärger: kleiner ärger, der sich anschickte, GROSSER ÄRGER zu werden und der seinem Ziel täglich näher kam.“ Bis Ferris auftauchte. Die Neue in der Klasse wollte weder sprechen noch berührt werden. Alle akzeptierten das, aber Delly war das unmöglich. Doch ihre Haudrauf-Einstellung klappt bei Ferris nicht. Das Mädchen muss sich in Demut üben, wird dafür aber reichlich belohnt.

Katherine Hannigan aus New York, ist studierte Mathematikerin und unterrichtet Studenten in Kunst und Design an der Uni Iowa. Ihr Debüt „Ida B“ war Bestseller der New York Times und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sprecherin Jodie Ahlborn ist im deutschen Fernsehen wohlbekannt. Und auch im Hörbuchbereich hat sie inzwischen einen ziemlichen Namen gemacht. Ihr Können verleiht dem Buch noch das restliche bisschen Würze.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Katherine Applegate: Eve & Adam

Adam ist perfekt. Schöner kann ein Mann nicht sein. Kein Wunder, Adam war nur als Zeitvertreib gedacht, wurde am Computer erstellt und dann zum Leben erweckt. Seine Schöpferin: die selbst genveränderte siebzehnjährige Eve, deren Mutter ihre Finger in diversen dubiosen Machenschaften zu haben scheint.

Eve verbringt ihre Zeit in der Privatklinik ihrer Mutter, angeblich, um sich von einem schweren Unfall zu regenerieren. Die Tatsache, dass sie das gar nicht nötig hat, fällt ihr erst auf, als Solo, der einzige Junge in dem ganzen Unternehmen, sie mit der Nase darauf stößt. Solos Rolle in dem ganzen Spiel erschließt sich Eve nicht recht. Die Faszination, die von dem kernigen jungen Mann ausgeht, allerdings schon. Das Vertrauen zwischen den beiden wächst und eines Tages zeigt Solo ihr etwas, dass das junge Mädchen komplett in Zerrissenheit stürzt.
Dieses Buch hat eine Menge Nebenstränge, die alle mal mehr, mal weniger gut mit der Hauptgeschichte verbunden sind. Da ist auf der einen Seite Aislin, Eves Freundin und deren Mutter ein wahrer Dorn im Auge, dann Aislins Freund, der sich als Dealer eher weniger eine goldene als mehr eine blaue Nase verdient, da sind seltsame Wissenschaftler, große Erkenntnisse und kleine Leute, die Großes verheimlichen. Und da ist dann Adam, dem Eve kaum widerstehen kann. Aber muss sie das? Und kann man überhaupt eine Beziehung eingehen zu einem Wesen, das man selbst geschaffen hat. Wo ist die Grenze – nicht nur ethisch und moralisch, sondern auch rein menschlich?

Katherine Applegate muss sich, so heißt es auf dem Klappentext des optisch extrem gut gelungenen Buches, ihren Traummann nicht erst entwerfen. Sie hat ihn schon gefunden. Gemeinsam mit dem Actionautor Michael Grant hat sie mit ‚Eve & Adam‘ ihren ersten gemeinsamen Jugendroman verfasst. Wobei beiden ein Buch gelungen ist, das gerade Mädchen in der Pubertät sehr in seinen Bann zieht. Liest man das Buch allerdings mit etwas mehr Abstand zum Hormonchaos, dann fehlt einem das Vertiefen einiger Themen. Manche Handlungsstränge hätte man weglassen, andere dafür deutlich ausbauen können. Trotz allem: eine der wohl besten Dystopien der letzten Zeit. 4.4 Stars (4,4 / 5)

Claudius Pläging: Not am Mann

Blöder hätte es ja eigentlich nicht laufen können: Eigentlich wollten sie nur miteinander schlafen, doch dann kommt es zwischen Miriam und Sebastian zu einem Missverständnis, das glatt einen Wohnungsbrand auslöst, Sebastian in eine äußerst verzwickte Lage bringt und Miriam eine ganze Weile im Krankenhaus beschert. Da es gegen Eigenverschulden keine Versicherung gibt, sind die beiden innerhalb kürzester Zeit nicht nur ihre Wohnung, sondern auch die gesamte Existenz los. Alles gerät aus den Fugen und letztendlich landet Sebastian für kurze Zeit im Knast. Gemeinsam mit Kiki, einem Schwerverbrecher mit kindlichem Herz. Doch damit nimmt das Elend erst recht seinen Lauf, denn Sebastian schlittert slapstickmäßig von einer beschissenen Situation in die nächste, wird in Dinge reingezogen, mit denen er im Leben nichts zu tun haben wollte und versucht letztendlich das Blatt zu wenden und doch noch der Held zu werden, den Miriam immer gern in ihm gesehen hätte. Doch die Rechnung geht nicht auf und Sebastian muss feststellen: Das Leben ist ein Arschloch.

Die Geschichte ist witzig, viele Situationen sind so hanebüchen an den Haaren herbeigezogen, dass es schon wieder Spaß macht, sich darauf einzulassen. Dieses Buch fällt damit unter die Kategorie Comedy-Roman und ist so in bester Gesellschaft. Claudius Pläging, dessen Frau von ihm behauptet, er hätte mit seinem Antihelden einiges gemeinsam, ist eigentlich ein studierter Politikwissenschaftler, arbeitet heute aber als Autor diverser Comedy- und Unterhaltungsshows wie TV-Total. Und kann damit problemlos mithalten mit Tommy Jaud und Kollegen.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Albert Espinosa: Marcos und der Zauber des Augenblicks

Marcos verfügt über eine besondere Gabe – er kann die zwölf wichtigsten Erinnerungen eines Menschen sehen, wird, wenn er die Gabe aktiviert, regelrecht überflutet von der schlimmsten und der schönsten. Und diese Fähigkeit macht sich die Madrider Polizei regelmäßig zunutze. So auch diesmal, als man vermutet, einen Außerirdischen aufgegriffen zu haben. Und irgendetwas stimmt mit diesem Jungen tatsächlich nicht, denn es gelingt Marcos nicht, in seine Seele zu sehen. Stattdessen dreht der Fremdling den Spieß um.

Espinosas neuester Roman ist nicht umsonst bereits ein Bestseller in Spanien. Es steckt eine ganze Menge guter Ideen in diesem Buch. Und denkt man sich bei vielen, hier und da hätten sie ruhig ein wenig kürzen können, so ist es hier genau andersherum. So manch ein Nebenstrang hätte sogar noch ein paar Seiten mehr verdient – denn das Buch ist eine Fundgrube für Liebhaber des Reinkarnationsgedankens. Die Sprache des spanischen Autors, der bereits mit zwölf Jahren erfolgreich eine Krebserkrankung besiegte und vielleicht auch daher eine etwas andere Sicht auf die Dinge hat, verliert übrigens auch in der Übersetzung nicht an Qualität.
4.3 Stars (4,3 / 5)

Jackie Asadolahzahdeh: Apple zum Frühstück

Jackie A. ist das, was man ein Berliner Original nennt. Eine Königin der Nacht, die sich mit diversen Jobs über Wasser hält – frei nach dem Motto: Lieber Disco als Dispo, deren Haarfarbe genauso häufig wechselt wie ihre Männer und die noch in einer Zeit geboren wurde, als es weder Internet noch Handy gab. Analog geboren – digital erwachsen verbindet sie altertümliche Tagebucheinträge mit Blogs. Was sie beschreibt, ist teilweise skurril und spiegelt doch immer wieder den biederen Kern wider, der selbst in den verrücktesten Nachtschattengewächsen schlummert. Eindrücklich zeigt Jackie A. dem Leser die Welt, in der man noch vor ein paar Jahren weder Geld noch Statussymbole brauchte, um jemand zu sein und die sich heute nicht unbedingt zu ihrem Vorteil verändert.

In einem Interview hat die in zwischen nicht mehr ganz so junge Dame einmal gesagt, dass sie, wie alle Kreativen vom Kind in sich lebt und das Nachtleben ihr Spielplatz sei. Trotzdem lässt sie keinen Zweifel daran, wie schnell selbst dort das Spiel zum Ernst des Lebens werden kann.

Ein Buch, das sich hervorhebt aus der Masse. Das aber auch genau für die gar nicht gedacht ist.
2.7 Stars (2,7 / 5)