Tim Sohr: Für immer und Amy

Flemming Hansen mag Frauen nur, solange sie keinen Wert darauf legen, sich zu binden. Dann aber kann er sie echt gut leiden. Vor allem auf körperlicher Ebene – denn alle anderen Ebenen verschließt er vor dem weiblichen Geschlecht. Grund für seine Beziehungsunfähigkeit ist Amy, seine erste große Liebe, die er bei einem Austausch in die USA getroffen und seitdem nie wieder vergessen hat. Je älter Hansen wird, desto öfter macht er sich Gedanken darüber, was mit ihm nicht stimmt und als er glaubt, Amy gesehen zu haben, dreht er halb durch. Er will sie wiederfinden und mit ihr das Glück der Beständigkeit. Aber, wie nennt es Amy? Timing ist eine bitch. Und letztendlich ist sie es, die diese Wahrheit zu spüren bekommt.

Das Cover wirkt leicht, die Story interessant – schließlich haben doch die meisten von uns irgendwo eine Liebesleiche im Keller, die sie nicht loslässt – aber irgendwie erfüllt das Buch die Erwartungen nicht. Ein Liebesroman ist es nicht, was anderes aber auch nicht. Es liegt irgendwo dazwischen und genauso fühlt man sich auch, wenn man die Lektüre (endlich) beendet hat: irgendwo dazwischen. Zwischen der Sympathie für Amy, bei der Antipathie mitschwingt und dem Mitlied mit Hansen, der keines verdient. Und auch gar keines braucht.

Das erste Buch des Autors „Woanders is‘ auch scheiße“ war deutlich besser.

Dani Atkins: Sieben Tage voller Wunder

Hannah steckt in einer Liebes- und Lebenskrise, die sie versucht, bei ihrer Schwester in Kanada zu bewältigen. Als sie zurück nach Hause fliegt, ist sie zwar immer noch nicht schlauer – aber immerhin schon wieder zu einem kleinen Flirt bereit. Er schaut ja auch zu gut aus, dieser Mann, der ihr auf dem Flughafengelände immer wieder auffällt. Doch leider verliert sie ihn aus den Augen. Ihr Sitzplatz im Flieger ist alles andere als optimal – eingekeilt zwischen einem Kleinkind und einem ziemlich übergewichtigen Mann – und das Personal hat Mitleid mit ihr. Aufgrund von Verspätungen sind einige Plätze im hinteren Bereich des Fliegers frei geblieben und sie darf sich dort hinsetzen. Wo sie auch den charmanten, gut aussehenden Mann wiedertrifft und zwar genau in dem Moment, in dem das Flugzeug in heftige Turbulenzen gerät.
Sie stürzen ab und sind, zumindest da, wo sie gelandet sind, die einzigen Überlebenden – in einer einsamen Wildnis ohne große Hoffnung, schnell gefunden zu werden. Die beiden müssen sich durchbeißen und Logan wird eine Riesenstütze für Hannah. Er motiviert sie, wenn sie kurz davor ist aufzugeben, er weiß, wie man Feuer macht und Wölfe verscheucht – doch als die Rettung naht, ist er nicht aufzufinden …

Dieser Roman ist ein echter Dani Atkins. Es ist genau diese Art von Geschichte, die nur wenige Autoren hinbekommen: die richtige Story, Wendungen, die nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals mit einem U-Turn überraschen und eine Schreibweise, die einen sofort, ab der ersten Seite in den Bann zieht. Ähnlich des Debüts der Autorin sollten dieses Buch all diejenigen lesen, die es mögen, wenn sich die Achsen ihrer Welt verschieben.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Sonne im Bauch

“Eine Geschichte über die Liebe“ ist der Untertitel dieses Bilderbuchs, in dem sich das kleine Eichhörnchenjunge Toni fragt, was das eigentlich ist, die Liebe. Und weil die Eltern wieder einmal mit den kleinen Geschwistern beschäftigt sind, macht sich Toni auf den Weg zu Sokrates, der weisen alten Eule. Die entdeckt in ihm den Philosophen-Nachwuchs und nimmt sich Zeit für die Beantwortung der Frage. Langsam tasten sich die beiden an die Liebe heran. Wie fühlt sie sich an, wann taucht dieses Gefühl nach Sonne im Bauch auf, welche verschiedenen Formen der Liebe gibt es, wie zeigt man Liebe am besten? Toni lernt, wie wichtig es ist, so geliebt zu werden, wie man ist.

Die Aufmachung und Gestaltung des Buches zeugt auch von Liebe und zwar von einer Liebe zu Bilderbüchern und davon, dass die Macher wissen, welche (Bild-)Sprache Kinder brauchen. Etwas irritierend ist das Rezept hinten im Buch, den Kindern erschließt sich der Zusammenhang nicht recht – aber ein gutes Sonnenpfannkuchenrezept kann man ja immer brauchen.
3.5 Stars (3,5 / 5)

Mandy Hubbard: Wie ich in High Heels durch die Zeit stolperte


Man tut sich schon etwas schwer, seine Vorurteile im Zaum zu halten, wenn man dieses Buch von außen betrachtet: Der Name der Autorin, die Aufmachung, das ganze Ganze lässt einen ein bisschen daran zweifeln, ob hier wirklich lesenswerte Literatur dahintersteckt: Aber, es ist nicht schlecht, diese typische Mädchenbuch. Die Geschichte dreht sich um Callie, die sich ihre Klassenfahrt nach London ein wenig anders vorgestellt hat. Dass sie zusätzlich eine „kleine“ Zeitreise ins 19. Jahrhundert unternehmen würde, das hätte sie sich niemals träumen lassen. Aber sie hat Glück und wird verwechselt. Und daher herzlich aufgenommen im Herrenhaus zu Harksbury. Dessen Hausherr ihr durchaus gefällt. Er ist arrogant, aber ziemlich gutaussehend. Die Verwirrungen um das Mädchen aus dem 20. Jahrhundert lassen nicht lange auf sich warten.
Muss man nicht gelesen haben. Klar. Aber es ist ein netter Zeitvertreib. Nichts tiefgehendes. Aber zwischen Shakespeare und Sartre kann man es schon mal einschieben, wenn man 15 ist – zur Entspannung.
3.4 Stars (3,4 / 5)

David Levithan: Letztendlich sind wir dem Universum egal

A ist eine reisende Seele. Jeden Morgen wacht er in einem anderen Körper auf, immer seinem Alter entsprechend, immer im gleichen regionalen Umfeld. Er hat sich in sein Schicksal gefügt, hinterfragt es nicht wirklich, findet es manchmal schade, dass er nicht bleiben kann, meistens ist es ihm egal. Neuer Morgen, neue Persönlichkeit. A hat sich entschieden, das Leben derjenigen, die er „bereist“, nicht wirklich zu beeinflussen, einfach einzutauchen und möglichst wenig aufzufallen. Das geht bis zu dem Tag, als er als Justin wieder aufwacht und dessen wichtigste Erinnerungen abruft. Der unsensible Junge hat eine ganz zauberhafte Freundin und zum ersten Mal gelingt es A nicht, sich zurückzunehmen. Er verbringt – als Justin – den Tag so, wie er ihn mit Rhiannon verbracht hätte. Was zur Folge hat, dass sie spürt, dass hier etwas nicht stimmt. A hat sich verliebt und lässt keine Gelegenheit aus, Rhiannon wiederzusehen. In allen möglichen Gestalten. Sie beginnt, ihn zu erkennen. Diese Liebesgeschichte ist der eine Strang der Erzählung. Nathan, ein von A „besessener“ Junge, der glaubt, der Teufel wäre in ihn gefahren, der andere. Und beide werden vom Autor sehr einfühlsam und ohne große Tragik zusammengeführt.

Man kann nicht anders, als beim Lesen immer wieder innezuhalten und sich zu fragen, was man selbst tun würde. Als A, als Rhiannon, aber auch als Nathan. Und man muss sich selbst die Frage stellen, wie man mit einer solchen Situation umgehen würde, ob man wirklich die Größe hätte, die A beweist…

„Letztendlich sind wir dem Universum egal“ ist ein ganz wunderbares Jugendbuch über Identität, Persönlichkeitsentwicklung und das Ausdrücken von Gefühlen. Eines, das absolut zu Recht Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreise 2015, Kategorie Jugendjury ist!

Die Geschichte ist übrigens aus As Sicht geschrieben, doch man kann sie auch aus Rhiannons Sicht lesen. „Letztendlich geht es nur um dich“ heißt die Fortsetzung, die eine solche eigentlich gar nicht ist. Denn etwas Neues wird der Leser nicht erfahren. Nur eine andere Sichtweise. Aber das haben wir ja von A gelernt, das ist auch schon eine ganze Menge wert.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Jean-Paul Sartre: Das Spiel ist aus

Eve liebt ihre kleine Schwester Lucette und sie hasst ihren Mann, der sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hat und nun versucht, sie loszuwerden, um sich an die Jüngere ranzumachen. Eve durchschaut das Spiel, kann sich aber nicht mehr wehren. Andre schafft es, sie zu vergiften. Im gleichen Moment, in dem Eve stirbt, wird auch Pierre ermordet. Der Widerstandskämpfer, Revolutionär mit Leib und Seele und im Gegensatz zu der eleganten und reichen Eve ein Mann aus einfachen Verhältnissen, stirbt durch die Hand eines Verräters.

Kurz danach begegnen sich Eve und Pierre in der Rue Laguenesie – dem Übergang zur Schattenwelt. Sie sind tot, handlungsunfähig, was das Leben angeht, können sich aber frei bewegen und dem zusehen, das sie hinterlassen haben. Die Totenwelt ist gleichgültig gegenüber dem Leben, aber die beiden Protagonisten wollen das so nicht akzeptieren. Sie kämpfen gegen die Hoffnungslosigkeit – doch ohne Hoffnung. Eve quält sich wegen Lucette, die unbedarft ins gleiche Schicksal rennt wie sie selbst, Pierre erkennt mit Entsetzen, dass seine Genossen im Begriff sind, in eine tödliche Falle zu laufen.

Schnell realisieren die beiden, dass sie sich lieben bzw. geliebt hätten. Denn es lag ein Irrtum vor. Sie bekommen eine zweite Chance. Müssen dabei aber 24 Stunden lang ihre Liebe über alles andere stellen.

Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte einfach, logisch und überschaubar. Doch tatsächlich finden sich unter dieser Oberfläche Verflechtungen zwischen Eve und Pierre, die zwangsläufig zu einem unheilvollen Ende führen müssen. Beide versuchen, gegen das Unvermeidliche anzukämpfen und enden in direkter Verbindung zueinander – ohne wirklich verbunden zu sein. Ein wunderschöner Klassiker der Moderne, erschienen 1947 unter dem Titel „Les jeux sont faits“. Die romantische Geschichte um die Frau aus bester Gesellschaft und den trotzigen und etwas ungehobelten Mann, für den seine Ideale die Welt bedeuten, verschafft einem die klitzekleine Hoffnung auf eine zweite Chance, wenn man sie mal braucht.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Laura Lackmann: Die Punkte nach dem Schlussstrich

Momentan sind sie groß im Rennen, die scheiternden Großstadtmenschen, die einsamen Wölfe, die psychisch Angeschlagenen, die Zerrissenen – und sie haben es auch Laura Lackmann angetan. Ihre Protagonistin Luzy ist die typische Großstadtpflanze, die den Großteil ihrer Kraft in die Liebe investiert – beziehungsweise in das, was sie dafür hält. Regelrecht besessen ist sie davon, zu lieben und geliebt zu werden, die perfekte Frau zu sein: „Ich wollte Apollo unbedingt lieben. ‚Ich liebe dich.‘ Apollo sagte nichts. Nur ein leises, zartes Männerseufzen, das mich wie ein Soundtrack durch mein ganzes Leben begleiten würde.“ Sie sieht sich als Rumpf, der einmal neben einen Mann gepflanzt, dort erst wieder weg kann, wenn dieser sie zerstört. Würde alles für ihn tun. Die familiären Hintergründe sind für ein solches Verhalten wie geschaffen: der Vater ein depressiver Maler, die Mutter Pornodarstellerin – eine Hassliebe vom Feinsten. Luzy ein unerwünschtes Kind, das sich keine Gefühle erlaubte und lange Zeit als autistisch galt. Dass mit ihr etwas nicht stimmt, weiß sie selbst und das spürt auch der Leser nonstop – sie macht immer wieder die gleichen Fehler, rennt offenen Auges ins Verderben, manchmal bemüht, fast schon angestrengt in der Sprache. Oft zynisch. Ordinär. Vulgär wie auch die Zeichnungen von Laura Tonke, die dem Buch nicht wirklich Mehrwert verleihen. Sie sollen wohl einen authentischen, kritzelzettelartigen Charakter schaffen, degradieren es aber eher ein wenig.

Laura Lackmann, die ihr Regiedebüt mit „Mängelexemplar“ hatte, hat an der New Yorker Filmakademie und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin studiert und ist heute Drehbuchautorin. „Die Punkte nach dem Schlussstrich“ ist ihr erster Roman.
3.1 Stars (3,1 / 5)

Nina George: das Traumbuch

Der Kriegsreporter Henri liegt im Koma. Auf dem Weg zu seinem Sohn, den er nie zuvor gesehen hat, ist es passiert und genau dieser Sohn sitzt nun täglich an seinem Bett. Gemeinsam mit Eddie, der Frau, die Henri eigentlich liebt und die ihn liebt, was sie sich vorher nur beide nie eingestanden. Es ist kompliziert, das Geflecht um dem Synästhetiker Sam, die feinfühlige Eddie, das Mädchen Maddy und all die anderen Charaktere, die mehr oder weniger im Leben Henris oder drumherum eine ausschlaggebende Rolle spielen. Letztendlich dreht sich der Roman darum, dass die kleinsten Entscheidungen eines einzelnen im Leben zahlreiche andere Leben positiv oder negativ beeinflussen können. Klingt vielleicht nicht spektakulär, ist es aber. Denn was Henri in seinem Wachkoma erlebt, wie er zwischen den Welten hin- und herkatapultiert wird, wie Sam ihn spüren kann und keiner ihm glaubt, bis auf Eddie, die einfach glauben will…all das ist dermaßen gut in Worte gepackt, dass man das Ende nur tränenreich überstehen kann. Ein Buch, das mal wieder so richtig ans Eingemachte geht. Den Leser mit seinen Ängsten genauso konfrontiert wie mit seinen Hoffnungen. Und das sich dem Thema Koma sehr einfühlsam nähert. Höchst empfehlenswert und mit Sicherheit eines der Besten der Saison. Sozusagen ein Traum von einem Buch, dieses „Traumbuch“.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Susanna Ernst: Immer wenn es Sterne regnet

Diese Geschichte ist ganz typisch für Susanna Ernst. Sie trifft einen netten, unterhaltsamen Ton, verwebt mehrere Stränge miteinander, bringt die Liebe ins Spiel und ein bisschen Geheimnis. Fertig.

Auch hier begegnen sich direkt oder indirekt verschiedene Menschen, zum Teil sogar aus verschiedenen Epochen. Da ist zum einen Adam, wir schreiben das Jahr 1927 und er schreibt entsprechend schwülstige Liebesbriefe an seine Gracey. Und da ist das Hier und Jetzt, in dem der Anwalt Jeremy nicht weiß, was er angeben soll, weil seine Ex nicht aus der Wohnung auszieht und zum anderen Mary, die bei einem sehr geheimnisvollen Trödelhändler einen alten Sekretär ergattert. Inklusive Adams Briefen. Mary geht der Liebe des ungleichen Paars Adam und Gracey auf die Spur und findet dabei Lösungen für sich selbst. Und irgendwie auch für Jeremy.

Ein bisschen verwirrend ist der häufige Wechsel der Erzählposition, aber bringt auch das für die jeweiligen Personen notwendige Verständnis des Lesers.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Dani Atkins: Die Nacht schreibt uns neu

Ein schreckliches Unglück tötet eine von drei Freundinnen und damit fast auch Freundschaftsbande, die lebenslang hätten währen sollen. In Kombination mit der obligatorischen Liebesgeschichte inklusive Gefühlsverwirrung ist das die Kurzbeschreibung dessen, was den Leser erwartet.

Das Buch ist in der Retrospektive geschrieben, beginnt mit dem Heute. Einem festlichen Tag. Wohl die Hochzeit? Doch die Hochzeit mit wem, fragt man sich während der Lektüre. Die mit dem smarten Amerikaner, der ihr das Leben gerettet hat oder doch dem Altbewährten, der sich nicht wirklich als Freund erwiesen hat? Der aber auf ewig Besserung schwört?

Das Buch zieht einen lang nicht so in seinen Bann wie „Die Achse der Welt“. Obwohl es allein schon die Umschlaggestaltung versprach. Sie ist nicht schlecht, die Geschichte, aber irgendwie auch an den Haaren herbeigezogen und reichlich übertrieben. Um mit so viel Kitsch zu arbeiten, hätte die Grundidee deutlich besser sein müssen. Das Ende allerdings ist nicht schlecht. Aber gerade, wenn einem der Vorgänger extrem gut gefallen hat, sollte man dieses Buch lieber stehen lassen und aufs nächste warten. Und dabei hoffen, dass die Autorin wieder ganz zu ihrem alten Stil zurückfindet.
2.9 Stars (2,9 / 5).