Tim Sohr: Für immer und Amy

Flemming Hansen mag Frauen nur, solange sie keinen Wert darauf legen, sich zu binden. Dann aber kann er sie echt gut leiden. Vor allem auf körperlicher Ebene – denn alle anderen Ebenen verschließt er vor dem weiblichen Geschlecht. Grund für seine Beziehungsunfähigkeit ist Amy, seine erste große Liebe, die er bei einem Austausch in die USA getroffen und seitdem nie wieder vergessen hat. Je älter Hansen wird, desto öfter macht er sich Gedanken darüber, was mit ihm nicht stimmt und als er glaubt, Amy gesehen zu haben, dreht er halb durch. Er will sie wiederfinden und mit ihr das Glück der Beständigkeit. Aber, wie nennt es Amy? Timing ist eine bitch. Und letztendlich ist sie es, die diese Wahrheit zu spüren bekommt.

Das Cover wirkt leicht, die Story interessant – schließlich haben doch die meisten von uns irgendwo eine Liebesleiche im Keller, die sie nicht loslässt – aber irgendwie erfüllt das Buch die Erwartungen nicht. Ein Liebesroman ist es nicht, was anderes aber auch nicht. Es liegt irgendwo dazwischen und genauso fühlt man sich auch, wenn man die Lektüre (endlich) beendet hat: irgendwo dazwischen. Zwischen der Sympathie für Amy, bei der Antipathie mitschwingt und dem Mitlied mit Hansen, der keines verdient. Und auch gar keines braucht.

Das erste Buch des Autors „Woanders is‘ auch scheiße“ war deutlich besser.

Nickel und Horn: zwei Detektive mit Durchblick

Nickel und Horn sind ein tierisches Gespann: ein Papagei und ein Meerschweinchen, die bei einem alten Herrn leben, der anno dazumal ein erfolgreicher Detektiv war und dem sie damals noch kräftig zur Hand gingen. Doch jetzt ist der Lehnstuhl das Zuhause des alten Mannes, er schläft die meiste Zeit und wird nach allen Regeln der Kunst von seinem Hund Schlappi bewacht, der vor Sorge um den Gesundheitszustand seines Herrchens möglichst jede Aufregung vermeiden möchte. Aber Nickel und Horn langweilen sich und als eines Tages ein kleiner Junge klingelt und den Detektiv um Hilfe bittet, springen die beiden Tierchen heimlich ein. Die Suche nach dem verschwundenen Pupsetierchen des kleinen Paul ist ihr erster Auftrag, den sie ganz alleine hinbekommen müssen und das birgt einiges an Gefahren und aufregenden Situationen.

Der Schreibstil dieses Kinderbuchs ist leicht verständlich, das Buch ist nicht zu viel und nicht zu wenig bebildert und die Buchstaben sind relativ groß. Und doch ist der Anspruch da, auch von einem Dritt- oder Viertklässler gelesen zu werden, denn es sind durchaus Wörter verarbeitet, die nicht ganz einfach sind und auch vom Satzbau kann man das nicht behaupten. Genau das richtige Maß an Herausforderung für Kinder, die über das Erstlesen bereits heraus sind. Dass die Protagonisten Tiere sind passt für die Zielgruppe ebenfalls gut – wobei hier sowohl Mädchen als auch Jungs angesprochen werden. Letzere vor allem durch das immer wieder allseits beliebte Thema des Pupsens, was ihnen in regelmäßigen Abständen dieses ganz spezielle Grinsen ins Gesicht zaubert.

Verrückte Erde

Auf der Erde gibt es so viele Orte und Besonderheiten, die einen staunen lassen: Vulkane, Wetterwechsel, riesige Eisberge, kleinste Lebewesen, Edelsteine und Versteinerungen, die Liste ist lang. Dieses Buch nimmt seine kleinen Leser mit auf eine Reise quer durch die Kontinente, erklärt Phänomene wie Erdbeben und Tsunamis, Klima und den Kreislauf der Gesteine. Gezielt eingestreut findet man kleine Versuchsaufbauten, spannende und allein schon dadurch anschauliche Klappkarten und Grundwissen.
Geschrieben bzw. entworfen hat dieses Buch Dr. Volcano – der Engländer Dougal Jerram, der es sich in seiner Funktion als Geologe zur Aufgabe gemacht hat, Wissenschaft verständlich zu vermitteln.

Julia Lanzke: Mom hacks

Ein Buch, in dem die Autorin, Julia Lanzke, ihre persönlichen Tipps und Tricks rund ums Baby zusammengefasst hat. JKennt man alles schon? Langweilt? Das denkt man tatsächlich auf den ersten Blick, wenn man bereits zahlreiche Babyratgeber in der Hand gehalten hat. Umso überraschter ist man, dass man hier Tipps findet, die durchaus beachtenswert sind: Eisschnuller aus Muttermilch gegen Zahnungsschmerzen, Rollenstop für Klorollenabrollerbabys, Parkplätze fürs Bobbycar, um das Aufräumen zu erleichtern, die Ersatzwäscherolle oder der selbstgemachte Wurfstopp für das Geschirr von Neu-am-Tisch-Essern. Als Ergänzung sind einige der Tipps gekennzeichnet und man kann sie mit der GU Kreativ Plus-App direkt als Video auf dem Smartphone starten.

Die Autorin ist eigentlich Realschullehrerin und das Leben mit ihrem Sohn Jannick hat dazu geführt, dass sie dauernd auf der Suche war nach Tipps und sich diese mühsam im Netz zusammensuchen musste. Schnell war die Idee geboren, eine eigene Infoseite zu kreieren, die sofort zahlreiche Anhänger fand.

Peter Pan – in einer prachtvollen Ausgabe

Es gibt Geschichten, die sollte man einfach kennen. Die gehören sozusagen zum Kulturgut unserer Gesellschaft. Ein Klassiker ist Peter Pan von James Matthew Barrie, zunächst als Theaterstück gedacht und erst später als Roman verfasst. Nach der Figur des Peter Pan ist sogar ein psychologisches Phänomen benannt. Der Familienherapeut Dan Kiley hat den Begriff geprägt für Männer, die partout nicht erwachsen werden wollen. Denn genau so geht es Peter Pan. Er lebt im Nimmerland mit einer Horde Jungs, den Rothäuten, seinem Erzfeind Captain Hook und einem Krokodil, das einen Wecker verspeist hat und daher nicht mehr richtig tickt. Peter Pan und seine Jungs brauchen eine Mama, wollen das aber nicht so recht zugeben. Also locken sie einfach Wendy und mit ihr ihre Brüder ins Nimmerland – mit chaotischen Folgen.
Die Geschichte ist allgemein bekannt, sie wurde ins Theater gebracht, verfilmt und in zahlreichen Büchern und Ausgaben wiedergegeben – wobei Peter immer niedlicher wurde, bald schon aussah wie ein Feenjunge – in Anlehnung an seine ständige Begleiterin Tinkerbell. Dabei ist Peter Pan alles andere als niedlich. Stattdessen ist er arrogant und selbstsüchtig, es fehlt ihm an Gespür für Gefahr und Leid, er kümmert sich nur um andere, wenn er selbst etwas davon hat und sieht sich ausgesprochen gerne in der Rolle des Anführers.
Dieses Exemplar der Geschichte, die man am besten vorliest, um auch gleich auf die Reaktionen der kleinen Zuhörer eingehen zu können, ist besonders schön. Das liegt an den zauberhaften Ideen von MinaLima Design, einem preisgekrönten Grafikdesignstudio, das bereits die grafisch-visuelle Gestaltung der Harry-Potter-Filme übernommen hat. Visuell veredelt wurde dieses Buch mit Schatzkarten, Feenflügeln, 3D-Effekten und weiteren Details, die das Betrachten dieses Werks zu etwas ganz Besonderem machen.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Dani Atkins: Sieben Tage voller Wunder

Hannah steckt in einer Liebes- und Lebenskrise, die sie versucht, bei ihrer Schwester in Kanada zu bewältigen. Als sie zurück nach Hause fliegt, ist sie zwar immer noch nicht schlauer – aber immerhin schon wieder zu einem kleinen Flirt bereit. Er schaut ja auch zu gut aus, dieser Mann, der ihr auf dem Flughafengelände immer wieder auffällt. Doch leider verliert sie ihn aus den Augen. Ihr Sitzplatz im Flieger ist alles andere als optimal – eingekeilt zwischen einem Kleinkind und einem ziemlich übergewichtigen Mann – und das Personal hat Mitleid mit ihr. Aufgrund von Verspätungen sind einige Plätze im hinteren Bereich des Fliegers frei geblieben und sie darf sich dort hinsetzen. Wo sie auch den charmanten, gut aussehenden Mann wiedertrifft und zwar genau in dem Moment, in dem das Flugzeug in heftige Turbulenzen gerät.
Sie stürzen ab und sind, zumindest da, wo sie gelandet sind, die einzigen Überlebenden – in einer einsamen Wildnis ohne große Hoffnung, schnell gefunden zu werden. Die beiden müssen sich durchbeißen und Logan wird eine Riesenstütze für Hannah. Er motiviert sie, wenn sie kurz davor ist aufzugeben, er weiß, wie man Feuer macht und Wölfe verscheucht – doch als die Rettung naht, ist er nicht aufzufinden …

Dieser Roman ist ein echter Dani Atkins. Es ist genau diese Art von Geschichte, die nur wenige Autoren hinbekommen: die richtige Story, Wendungen, die nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals mit einem U-Turn überraschen und eine Schreibweise, die einen sofort, ab der ersten Seite in den Bann zieht. Ähnlich des Debüts der Autorin sollten dieses Buch all diejenigen lesen, die es mögen, wenn sich die Achsen ihrer Welt verschieben.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Dieter Bednarz: Schwer erleuchtet

Man kennt Dieter Bednarz vor allem als gewieften Journalisten. Als einen, der nicht zuletzt auch vom Nachwuchs bewundert wird für seine Arbeit. Und man kennt ihn auch als „Familienautor“, der seine Erlebnisse von der Wickelfront so eindrücklich schilderte, dass sie sogar mit Erfolg verfilmt wurden.
Auch die Geschichte, die diesem Buch zugrunde liegt, basiert auf Realität. Denn, wie man hört, soll Bednarz tatsächlich mal einem Mönch begegnet sein, der ihn dann besucht hat. Und wer das schon einmal erlebt hat, weiß, wie ein solcher Mönch das Leben aller in der Umgebung befindlichen Personen beeinflusst. So ist es auch bei der Hauptperson des Romans, Siri, der eines Tages vor der Tür von Maya und Daniel steht und ihr Leben auf den Kopf stellt. Der Kiezgrößen dazu bringt, wie Schoßhunde zu winseln, der das Sterben einfacher macht und das Leben verändert.
Das Buch ist vielversprechend, erinnert im ersten Augenblick ein wenig an das miese Karma der berühmten Ameise und beginnt so, wie ein äußerst entspannendes Buch beginnen soll bzw. kann. Doch leider hat Zeit online durchaus recht, wenn dort kritisiert wird, dass das Ganze schnell bizarre Züge annimmt. Bednarz hat hier ein wenig übertrieben, versucht dort, mit der Keule pseudo-buddhistische Botschaften unters Volk zu bringen und verbindet zu viele Stränge in zu kurzer Zeit.
Witzig aber ist die nicht zu leugnende Ähnlichkeit zwischen dem bisher nach eigener Aussagen noch nicht erleuchteten Herrn Bednarz und dem Covermönch.

Sabine Bohlmann: Und plötzlich war Frau Honig da

Die kleine Person, die da eines Tages ganz in gelb gekleidet vor der Tür einer Familie steht, erinnert zwangsläufig an Mary Poppins, ein bisschen auch an „Eine zauberhafte Nanny“. Genau wie diese wurde sie von der Familie, die aus einem überforderten alleinerziehenden Vater und vier Kindern besteht, nicht gerufen und doch gebraucht. Genau wie Mary Poppins hat sie nur einen Koffer, in den aber Unmengen hineinpassen. Und verfügt über ähnliche Zauberkräfte.
Stück für Stück holt sie die im System vereinsamte Familie wieder an einen Tisch, bringt den Kindern bei, was sie fürs Leben wissen müssen, zeigt dem Vater, dass es nichts bringt, sich hinter seiner Trauer zu verstecken und macht den Alltag mit ihren kleinen Tricks und Besonderheiten zehntausendmal bunter als er je gewesen ist.

Die Besonderheit an Frau Honig: Sie ist eng mit den Bienen verbunden, lernt Betty, der Kleinsten der Familie, wie man mit einem solchen Volk umgeht und sorgt dafür, dass es den kleinen, für die Menschheit so wichtigen Tierchen gut geht. Und wenn sie dafür auf die Schnelle mal ein paar Blumen im Stadtgrau wachsen lassen muss.

Doch eines Tages ist es soweit: Es wird Zeit für Frau Honig zu gehen – eine andere Familie wartet und die Sommerfelds sind jetzt in der Lage, nach dem Tod der Mama und Ehefrau nach vorne zu sehen und ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen.

Dieses Buch ist wieder so, wie man es von Sabine Bohlmann erwartet. Ihre Vorliebe für Mary Poppins ist ja bekannt (… und das Bittere wird süß!) und der Ton des Buches ist fast schon unverkennbar. Es ist wunderbar zum Selbstlesen, und noch viel wunderbarer zum Vorlesen geeignet. Allerdings hätte die Autorin ihrer Zeichnerin etwas mehr auf die Finger schauen sollen. Denn diese hat – wie es leider in der Kinderbuchwelt viel zu häufig passiert – das Buch anscheinend, zumindest an einer Stelle, nicht richtig gelesen. Und das ist etwas, das Kindern sofort auffällt. Doch trotzdem ist dieses Buch ein wirkliches Highlight und gehört daher definitiv zu den besten Kinderbüchern in diesem Sommer.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Martin Kintrup: Familienküche für Faule

Kein Satz wird so dauerhaft gestöhnt von Mütter wie „Was soll ich heute eigentlich kochen?“ Gerade, wenn man berufstätig ist und mehrere hungrige – und anspruchsvolle Mäuler zu stopfen hat, wird’s schwierig abwechslungsreich zu bleiben. Schnell muss es gehen, die Zutaten dürfen nicht ausgefallen sein – da kann ein bisschen Anregung nicht schaden. In sieben Kapiteln findet man unter anderem One-Pot-Gerichte und fixes, aber gesundes Fastfood. Aber auch für die großen Schulkinder Genuss-to-go. Das Kochen nimmt nicht mehr als 20 Minuten in Anspruch, die Zutaten hat man entweder zuhause oder kann sie ohne großen Zeitaufwand besorgen. Bei manchen Ideen wird man als erfahrene Mama allerdings skeptisch. Da möchte man die Gesichter lieber nicht sehen, die die Kinder ziehen, wenn sie auf ihrem Schulbrot Lachs oder Avocado mit Ei wiederfinden. Grundsätzlich aber sind viele der Gerichte sicher eine schöne Ergänzung zu Fischstäbchen und Nudeln mit Tomatensauce.
Viel Humor beweisen übrigens die Fotos, die in einer großen Anzahl beigefügt sind und das Ganze etwas auflockern. Das Buch eignet sich übrigens auch als Mitgebsel, wenn eines der Kinder auszieht. Denn es beschreibt in aller Genauigkeit, was man zum Kochen überhaupt braucht und was es mit den einzelnen Zutaten auf sich hat.

Renata Calindo: Meine neue Mama und ich

Wenn man das erste Mal zu einer neuen Mama kommt, dann mischt sich Neugier mit Verzweiflung, Angst mit Hoffnung. So geht es auch dem Protagonisten dieses Buches, der jetzt zum ersten Mal ein eigenes Zimmer hat, zum ersten Mal jemanden hat, der ihm zuhört und sich um ihn wirklich mit Achtsamkeit kümmert. Dass die neue Mama ihm nicht ähnlich ist, macht ihm nur anfangs zu schaffen, dass er sie manchmal nicht mag und oft ganz plötzlich traurig wird, ist auch nicht einfach – aber so langsam kommt er an und beide lernen, eine Familie zu sein.
Pflegekinder sind ein Thema, das relativ selten Eingang findet in die Bilderbuchwelt. Gerade deswegen ist es so schade, dass es diesem Buch nicht gelingt, den traurigen Schleier des Themas abzuwerfen. Die Bilder sind in ihrer Einfachheit und Farbwahl regelrecht bedrückend. Auch wirft es viele Fragen auf, die so nicht beantwortet werden. Wenn man bedenkt, dass eben nicht jeder eine Mama hat, die ihm vorliest und dabei die Welt erklärt, dann wäre es unter diesem Aspekt angebracht, die Geschichte entweder anders aufzubauen oder, wie in vielen anderen Büchern zu Problemthemen auch, das Thema Pflegeltern noch einmal kindgerecht auf ein paar Extraseiten zu erklären.