Auch, wenn er darauf hofft, dass seine Leser nicht so doof sind wie „Facebook-User“, so hält Dietmar Wischmeyer es doch für nötig, in einem Warnhinweis vorweg darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Buch um SATIRE handelt. Und benutzt dabei Worte, die eine anständige Lady nicht in den Mund nehmen würde. Was sich ein bisschen durch seine kurzen Exkurse in die Welt da draußen hindurchzieht. Auf der einen Seite ist der Satiriker genervt von seinen Mitmenschen, auf der anderen Seite profitiert er von deren Dummheit. Denn was wäre sein Programm ohne auf dem Balkon stehende qualmende Assis, ohne Veganer, ohne den Deutschen an sich und das Internet der Dinge?
Seine Art muss man mögen, den Blick in den Spiegel auch mal aushalten können, Zynisches verstehen – und wenn das so ist, dann kann man mit diesem Buch mal so richtig einen der größten Ablästerer dieser Welt genießen.
(3,0 / 5)
Gioconda Belli: Mondhitze
“Mondhitze“ ist der neueste Roman der lateinamerikanischen Autorin Gioconda Belli, aus deren Feder auch die „Bewohnte Frau“ stammt. Der Roman spielt in Nicaragua und erzählt von einer 48-Jährigen, deren plötzliches Ausbleiben ihrer Regel ihre ganze Weiblichkeit infrage stellt. Die sehr gut aussehende, schlanke und gepflegte Emma aus der Oberschicht, Arztgattin, will den Zeichen der Zeit nicht das Feld überlassen. Wehrt sich innerlich vehement gegen das Eintreten ihrer Wechseljahre.
Während sie verzweifelt darüber nachdenkt, wie sie aus dieser ihrer persönlichen Hölle wieder herauskommt, wird sie unvorsichtig und fährt einen jungen Mann an. Und ab sofort ändert sich ihr Leben. Und sie erfährt, welche weibliche, auch erotische Macht (das Spezialgebiet der Autorin) in ihrem alternden Körper noch steckt. Und wie sehr sie sich von ihrem Mann entfremdet hat.
Dieser Roman arbeitet mit Bildern. Man kann sie fast spüren die Hitze, riecht den Reis und den Schweiß, spürt die Angst derjenigen, die von ihrem miesen Job abhängig sind genauso wie die Schmuddeligkeit von Hotelzimmern. Lateinamerikanische Frauenpower. Und für Männer höchstens dann geeignet, wenn sie mal sehen wollen, wie unterschiedlich Frauen mit dem Klimakterium umgehen.
(3,8 / 5)
Tobias Rebisch: Zwei Papas und ein Baby
Hier findet man mehr über dieses „Mutmachbuch“. Simone Blaß hat für eltern.t-online persönlich mit Tobias Rebisch gesprochen. Und einen faszinierenden Einblick in die kleine Regenbogenfamilie und ihren schweren Weg dahin erhalten.
TipToi: Mathe 2. Klasse
Das kleine Burggespenst Erasmus von Rechenstein und seine Freunde Johanna und Jakob sind die Hauptpersonen in einem der neuesten Bücher aus der tiptoi-Reihe, die sich mehr und mehr auch mit Schulwissen beschäftigt.
Erasmus ist nicht mehr der Jüngste. So manches Mal verrechnet er sich ein bisschen und da ist er froh, dass die beiden Kinder ihm helfen. Räumliches Denken mithilfe der Ahnengalerie, Verdoppeln und das Kennenlernen geometrischer Figuren anhand geheimnisvoller Spiegel, dreidimensionales Denken mithilfe alter Burgmauersteine – langweilig wird es nicht. Und am Schluss wartet die große Prüfung im Thronsaal. Wird Erasmus diese bestehen und darf dann weitere 100 Jahre auf Burg Rechenstein bleiben?
Fast 50 Aufgaben und Spiele sind hier so gut verpackt, dass das Kind kaum merkt, dass es eigentlich übt, lernt und wiederholt.
tiptoi ist ein Lernsystem. Mit dem Stift, den man extra kaufen muss, dann aber für alle tiptoi-Produkte verwenden kann, tippt man die einzelnen Spielflächen an und kann so zwischen verschiedenen Optionen wählen. Interaktiv und spannend.
(4,4 / 5)
Monika Bittl/Silke Neumayer: Ich hatte mich jünger in Erinnerung
“Ich hatte mich jünger in Erinnerung“ ist eines der Bücher, die man mit über 45 seiner Freundin schenkt, wenn man ihr mal wieder ein kleines Grinsen ins Gesicht zaubern will. Denn das wird funktionieren, mehr aber nicht. Die beiden Autorinnen, eine glücklich liiert, die andere nicht ganz so, nehmen die Momente auf die Schippe, in denen man sich fragt, wo die hübsche, junge Frau geblieben ist, die man mal war und wer das im Spiegel eigentlich sein soll. Momente, wie den, in denen man im Bus gefragt wird, ob man sich setzen möchte, in denen man sich verzweifelt eine Drogerie-Lesebrille kauft, weil man sonst nicht mehr weiß, welche Inhaltsstoffe der Joghurt hat und die Momente, in denen man dank der Altersweisheit so cool wird, dass es einem egal ist und in denen man bei ausgeübter Zweisamkeit nicht mehr über die Auswirkungen der Schwerkraft nachdenkt sondern über gar nichts.
Wie gesagt, grundsätzlich ganz nett, manchmal sehr an den Haaren herbeigezogen und meistens genau richtig, um bei einer kleinen Kaffeepause mal ein, zwei Kapitelchen zu lesen. Und etwas gestärkter zurück in den Alltag zu gehen. Wobei wir dann darin gestärkt sind, auch mal „Nein“ zusagen, wenn es uns danach ist. Ein literarisches Meisterwerk ist es nicht, aber ein Buch auf dessen Cover „Fuck the Falten“ steht, hat diesen Anspruch wohl schon von Vornherein nicht.
(3,4 / 5)
Jens Schumacher: Morlo – voll auf Steinzeit
Kaum ein Buch hat mehr Durchhaltevermögen verlangt in der letzten Zeit wie dieses: Denn die Geschichte um Professor Tuffhäusers Nichte Jenny und den von dieser aus Versehen durch die Zeit transportierten Neandertaler Morlo beginnt zäh wie altes Schnitzel. Doch hat man sich mal durch die ersten 40 Seiten gekämpft, wird es zum Lieblingsbuch des Monats. Denn wie die kleine Jenny mit dem Neandertaler durch die Stadt wandert, auf welche Ideen die beiden kommen, um den Mann aus dem Früher zu tarnen und was sie dabei erleben, ist urkomisch.
Seltsam allerdings ist die vom Autor gewählte Sprache. Da sind Wörter dabei, die kennt mancher Erwachsene nicht und auch der Satzbau ist alles andere als kindgerecht. Wo da der Lektor war, als dieses Buch geschrieben und veröffentlicht wurde, das fragt man sich als Kinderbucherprobter schon. Gut, es ist mal was anderes – wahrscheinlich hat sich Jens Schumacher sogar etwas dabei gedacht, denn eigentlich ist er ein Kinderbuchprofi. Man könnte es also auch positiv sehen: So viele neue Wörter, mit denen man dann ganz toll klugscheißern kann, lernt man selten in so kurzer Zeit. Futuristisch, Radikalkur, Unbefugter, defekt, Dreadlocks, Verunreinigung – und das sind die gängigsten. Wobei man hier schon erkennen kann, dass man die meisten davon problemlos hätte kindgerechter ausdrücken können.
Für Leseanfänger sicher nicht geeignet, auch nicht für fortgeschrittene Leseanfänger. Für begeisterte Leseratten allerdings eine willkommene Abwechslung.
(3,4 / 5)
Susanna Ernst: Immer wenn es Sterne regnet
Diese Geschichte ist ganz typisch für Susanna Ernst. Sie trifft einen netten, unterhaltsamen Ton, verwebt mehrere Stränge miteinander, bringt die Liebe ins Spiel und ein bisschen Geheimnis. Fertig.
Auch hier begegnen sich direkt oder indirekt verschiedene Menschen, zum Teil sogar aus verschiedenen Epochen. Da ist zum einen Adam, wir schreiben das Jahr 1927 und er schreibt entsprechend schwülstige Liebesbriefe an seine Gracey. Und da ist das Hier und Jetzt, in dem der Anwalt Jeremy nicht weiß, was er angeben soll, weil seine Ex nicht aus der Wohnung auszieht und zum anderen Mary, die bei einem sehr geheimnisvollen Trödelhändler einen alten Sekretär ergattert. Inklusive Adams Briefen. Mary geht der Liebe des ungleichen Paars Adam und Gracey auf die Spur und findet dabei Lösungen für sich selbst. Und irgendwie auch für Jeremy.
Ein bisschen verwirrend ist der häufige Wechsel der Erzählposition, aber bringt auch das für die jeweiligen Personen notwendige Verständnis des Lesers.
(3,0 / 5)
Michael Schulte-Markwort: SuperKids
Jeder will nur das Beste für sein Kind, keine Frage. Doch der Druck von außen wird immer stärker. Ein normales Kind scheint heute schon kaum mehr etwas wert zu sein, dauernd wird um die Kinder herumgekreist, keinen Konflikt dürfen sie mehr alleine lösen. All das sieht auch der Kinder- und Jugendpsychiater Professor Dr. Schulte-Markwort. Im Interview auf Eltern.t-online.de findet er: Wir dürfen unsere Kinder nicht verbiegen wie Marshmallows.
Binette Schroeder: Der Zauberling
Zokko ist ein kleiner Zauberlehrling und er lebt bei seinem Großvater, dem berühmten Zonobu. Eines Tages schleicht er sich davon, nicht ganz unbemerkt, aber vom Alten toleriert, und erlebt so einiges mit einem frischgeschlüpften Drachenbaby und Rotkäppchen höchstpersönlich. Doch plötzlich hat er das Zaubern wohl etwas überstrapaziert und schafft es nicht, seinen Unsichtbarkeitszauber wieder rückgängig zu machen. Doch wozu hat man Freunde?
Diese mit fantasievollen, manchmal etwas altertümlich anmutenden Zeichnungen versehene Bilderbuchgeschichte im typischen Binette Schroeder-Stil lässt leider textlich ziemlich zu wünschen übrig. Sie ist weder sehr fesselnd, noch sind ihre Sprachspielereien gelungen, sie führen eher zur Verwunderung beim Kind denn zu einem fröhlichen Grinsen. Ein weiterer Nachteil, der leider immer öfter bei Bilderbüchern vorkommt: der Druck. Hierbei wird nicht darauf geachtet, dass eine schwarze Schrift auf einem dunklen Hintergrund nur schwer zu lesen ist, gerade in der typischen Vorlesesituation abends im Bett. Schade, sind doch sonst die Bücher aus dem NordSüd-Verlag meist ein Garant für etwas außergewöhnliche, aber mitreißende Bilderbücher.
(1,1 / 5)
Anja Freudiger: Ein Koffer voller Mama-Momente
Mama, Papa, Bertil und die kleine Elsa sind eine Familie wie aus dem Bilderbuch. Doch in diesem Bilderbuch ist es nicht so, wie es sein sollte. Denn Mama ist krank, sehr krank. Und ihre Zeit im Krankenhaus eine große Herausforderung für die ganze Familie. Bertil ist wütend, dass Mama zu den Ärzten muss und nicht bei ihnen sein kann. Und traurig, sehr traurig. Denn egal, was Oma oder Papa machen, es ist gut, aber nicht so gut, wie das, was Mama macht. Das fängt beim morgendlichen Aufwecken an und hört bei der abendlichen Gute-Nacht-Geschichte auf. Doch Bertil hat eine Idee: Als Mama zu einem „Krankenhausurlaub“ für ein paar Tage zu ihrer Familie kommt, sammelt er mit ihr gemeinsam Mama-Momente.
Die Vorstellung, dass er diese wohl noch sehr häufig brauchen wird, macht den (Vor-)Lesenden traurig. Aber die Kinder sind begeistert von dieser Idee und die Gespräche, die sich daraus ergeben, was ihre Mama-Momente seien, sind äußerst interessant. Und ergeben Blickwinkel, die man vorher gar nicht vermutet hätte. Bei dieser Geschichte bekommt man einen kleinen Eindruck davon, wie Kinder darunter leiden, wenn die Eltern nicht mehr stark und vom Leben unbesiegbar sind, sondern verletzlich und schwach. „Und obgleich sie nicht verschweigt, dass Kinder dem Schicksal oft ohnmächtig gegenüberstehen, zeigt sie auch, dass sie die Kraft entwickeln können, ihr Erleben unmittelbar zu verbessern“, heißt es bei einem Gutachten der Stiftung Gesundheit. Dem ist an dieser Stelle zum Thema Resilienz nichts mehr hinzuzufügen.
Das Buch aus der Reihe „Kids in Balance“ sollte weder in Kindertagesstätten noch in Krankenhausbibliotheken oder Beratungsstellen fehlen. Auch, wenn es durchaus an manchen Stellen hätte noch ehrlicher sein dürfen.
(3,2 / 5)