Andreas Stefaner/Ivan Gantschev: Am Anfang war es finster

Die Geschichte von Adam und Eva nimmt uns heute keiner mehr so richtig ab. Aber das mit dem Urknall kann man sich auch nur schwer vorstellen, selbst wenn man weiß, dass es so oder so ähnlich gewesen ist. Wie schön, dass hier einmal ein Buch entstanden ist, das beides miteinander verbindet. Das – natürlich auf sehr vereinfachte Weise – zeigt, wie wir Menschen entstanden sind und dass wir letztendlich aus dem Wasser kommen. Und wie wichtig es ist, dass wir diesen und alle anderen Lebensräume und Arten auf der Welt schützen müssen, wenn wir das Zusammenspiel aller in unserem ökologischen Kreislauf auch weiterhin genießen wollen.

Kinder erkennen viel genauer, welche Vielfalt und Schönheit unsere Welt uns bietet. Sie sind es, die die Käfer am Wegrand bewundern, die eine Blume im Wind stundenlang beobachten können und in den Wolken Drachen sehen. Trotzdem: Man kann nicht früh genug anfangen, Kinder für den Schutz unserer Umwelt zu sensibilisieren und dieses Buch mit seinen ausdrucksstarken Bildern eignet sich gut als Anfang. Im wahrsten Sinne des Wortes sozusagen.

Bohlmann, Schöne: Der kleine Siebenschläfer – Das ist noch nicht gemütlich!

Kleine Kinder lieben den kleinen Siebenschläfer. Schon allein deswegen, weil es ihm meist genauso geht wie ihnen. Diesmal kann er machen, was er will, sein Bett wird nicht gemütlicher. Egal, wie viel Heu, Blätter und Klee er anschleppt, irgendwas passt nicht. Er findet nicht die richtige Position zum Schlafen. Bis er auswandert, zu den anderen Siebenschläfern – ins Eltern- und Geschwisterschlafzimmer sozusagen – und schwuppdiwupp eingeschlafen ist.

Es gibt immer noch viele Eltern, die sich vehement weigern, ihr Kind bei sich schlafen zu lassen. Meist aus Angst, ihr Schlafzimmer nie wieder für sich alleine zu haben. Manchmal aber auch, weil sie keine Lust haben, ihren Schlafplatz zu teilen. Aber letztendlich schläft jedes Kind besser, wenn es nicht alleine schlafen muss, denn das liegt nicht in der Natur des Menschen und in der des Siebenschläfers eben auch nicht. Aber die, die wissen das!

Sabine Bohlmann allein ist schon ein Garant für gute Kinder- und auch Elternbücher. Ergänzt durch die Zeichnungen von Kerstin Schöne ist auch dieses Buch wieder einmal ein Volltreffer.

Haag/Moreno: Paula und die Zauberschuhe

Paula ist ein ganz normales Vorschul-Mädchen. Das Kämmen nicht mag, mit Freunden spielt, sich mit seinem Bruder streitet – der einzige Unterschied: Paula ist körperbehindert. Sie braucht einen Rollator und Medikamente.

Das kleine Mädchen zeigt den Lesern und Betrachtern sein Leben mit der Zerebralparese, seinen Umgang mit der Spastik und erklärt die Therapien. Um sich besser zurechtzufinden, sind die einzelnen Kapitel gekennzeichnet. In solche, bei denen es um den Alltag Paulas geht und in solche, in denen die Behandlung im Mittelpunkt steht. Die zahlreichen Hintergrundinformationen helfen auch Erwachsenen zu verstehen, was es mit der Behinderung auf sich hat und welche Möglichkeiten es gibt.

Die Idee zu diesem Buch kam der Autorin, als sie genau so etwas gesucht und nicht gefunden hat. Es ist, so kann man es unter dem Strich zusammenfassen, ein Beitrag zur Inklusion.

Christian Morgenstern: Ein Wiesel saß auf einem Kiesel

Der Schnupfen hockt auf der Terrasse, auf dass er sich ein Opfer fasse – und stürzt alsbald mit großem Grimm auf einen Menschen namens Schrimm. Paul Schrimm erwidert prompt. „Pitschü!“ und hat ihn drauf bis Montag früh.

Typischer kann ein Christian-Morgenstern-Gedicht kaum sein. Und von dieser Sorte gibt es reichlich kindergeeignete in diesem Buch. Das zudem witzig, farbenfroh und phantasievoll von Christine Sormann illustriert ist.

Eine schöne Art, Kindern den Zugang zu Lyrik zu ebnen. Vielleicht sind sie dann später auch eher in der Lage, Gedichte über das Knie zu interpretieren.

Brichzin/Kuprin: Der Junge im Rock

In einem Rock bekommen die Beine Luft und das findet Felix schön. Seine Mama und sein Papa haben dafür Verständnis, andere nicht. Sie finden das komisch, wenn ein Junge Röcke und Kleider mag. Sie tuscheln hinter Felix Rücken. Und die anderen Jungs wollen nicht mehr mit ihm spielen. Felix ist nicht mehr glücklich, Felix ist traurig. Doch da hat Papa eine tolle Idee …

Dieses Bilderbuch ist mutig. Und total cool. Es ist eine Geschichte über Toleranz, Verständnis, über Respekt und die Tatsache, dass jeder so leben soll, wie er möchte. Und es ist eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig für ein Kind die Liebe der Eltern als Rückhalt ist. Auch und gerade, wenn man eben nicht so ist wie die anderen. Individuell eben. So als Individuum.

Donaldson/Ogilvie: Nelli Spürnase und die verschwundenen Bücher

“Spürnase“ wird sie von allen genannt, denn Nellis Geruchssinn ist stadtbekannt. Sie schnüffelt mal hier, sie schnüffelt mal dort. Geschah ein Verbrechen? Sie riecht es sofort.

So beginnt die Geschichte, deren Hauptperson ein neugieriger und intelligenter Hund ist. Nellie gehört zu Peter, der reichlich unordentlich ist und dem sie mit ihrer Fähigkeit schon so manches Mal aus der Patsche geholfen hat. Doch ihre Lieblingszeit ist die Lesestunde am Montag, zu der Nellie ihren Peter immer begleitet. Doch eines Tages sind plötzlich die Bücher verschwunden. Doch Nellies Spürnase entgeht nichts und sie jagt mitsamt der Kindermeute quer durch die Stadt, um den Bücherdieb zu fangen. Doch als sie ihn haben, ist alles anders als sie dachten …

Ein Bilderbuch nicht nur für Tierliebhaber. Die Zeichnungen von Sara Ogilvie sind anschaulich und bunt, der Text prägt sich durch die Reime gut ein und die Geschichte ist wirklich mal etwas anderes und hat einen schönen Lerneffekt.

Robert Munsch/Marta Holzhausen: Ich lieb‘ dich für immer

Dieses Bilderbuch sollten sich Eltern zuerst alleine ansehen und dann entscheiden, ob ihr Kind in der Lage ist, es zu verkraften. Denn es thematisiert das Leben an sich. Kommen und Gehen, aber auch Vergehen. Anhand der Beziehung eines Sohnes zu seiner Mutter. Die ihm von klein auf versichert, wie lieb sie ihn hat. Doch „Ich lieb dich für immer“ – ist ein Versprechen, das schwer zu halten ist … auf der einen Seite. Auf der anderen Seite wird Mutterliebe gesät und oft erst sehr viel später im Leben geerntet.

Das Buch ist schön gemacht, die Zeichnungen ansprechend, aber man sollte stabil sein, auch als Erwachsener. Sonst können einem schon mal die Tränen in die Augen schießen.

Olli Merbeth-Brandtner: Pau und die Wut

Pau ist drei Jahre alt, fast vier, vielleicht auch älter. Er mag viele Dinge nicht. Zum Beispiel, wenn sie sagen, er sei noch zu klein oder schon zu groß. Und wenn so einiges zusammenkommt, dann bekommt Pau so eine Wut im Bauch und die muss raus. Und dann braucht Pau jemanden, der ihn in den Arm nimmt. Und futsch, ist sie weg, die Wut …

Dieses Buch ist zwar prinzipiell für jedes Kind geeignet, aber eigentlich hat es einen pädagogischen Stellenwert. Wie fühlt sich Wut an, was macht sie mit mir und welche Farbe hat sie eigentlich – das Kind, mit dem man dieses Buch liest, soll seine Gefühle reflektieren. Und so lernen, sie wahrzunehmen, einzuordnen und zu verarbeiten. Entsprechend allen Büchern dieser Art hält auch dieses am Schluss ein paar Worte für die Erwachsenen bereit. Diese hier allerdings gehen tiefer als üblich, versetzen sich noch mehr ins Kindliche. Damit die Erwachsenen es auch verstehen.

Olli Merbeth-Brandtner hat sechs kleinere Geschwister, selbst zwei Kinder. Dieses Buch ist entstanden, nachdem sein drittes Kind gestorben ist. Denn Wut kann auch eine mögliche Reaktion auf Verlust sein.

Yoko Maruyama: Little Santa – der kleine Weihnachtsmann

Alles hat seine Vor- und seine Nachteile. Ist man der Sohn des Weihnachtsmannes, dann hat dieser ziemlich viel Zeit für seinen Nachwuchs. An Weihnachten aber ist der Papa dann nie da. Dieses Mal soll es anders sein, wünscht sich der Sohn des Weihnachtsmannes. Aber wie das mit dem Wünschen so ist: Man sollte vorsichtig sein, was man sich wünscht! Denn prompt verletzt sich der Weihnachtsmann am Fuß. Was zwar bedeutet, dass er da sein wird am 24. Was aber auch bedeutet, dass die Kinder dieser Welt leer ausgehen werden. Das kann nicht sein, denkt sich der Sohn des Weihnachtsmannes und nimmt die Sache selbst in die Hand. Bis er plötzlich vor einem Weihnachtswunsch steht, der ihm unerfüllbar erscheint …

Minedition ist bekannt für seine Bilderbücher, die zum Nachdenken anregen. Und da passt dieses Bilderbuch ganz wunderbar hinein. Seine Zeichnungen bestechen den Leser bzw. Betrachter durch ihre Details. Besonders gelungen, das Verstecken des Weihnachtsmann-Gesichts, das erst auf den zweiten oder dritten Blick auffällt. Ein Buch, das sich auch gut eignet für Erwachsene, die zu notorischer Unzufriedenheit neigen und mal einen kleinen Schubser zum Aufwachen brauchen.

Aron Dijkstra: Ritter Rufus, der Drachenkämpfer

Der kleine Ritter Rufus kann es kaum erwarten: Er will mit einem richtigen Drachen kämpfen und endlich, endlich ist es soweit. Er darf es mit dem Drachen Bruchhorn aufnehmen, der sich hoch oben in den Bergen versteckt und zu dem sich schon seit Ewigkeiten keiner mehr getraut hat. Aber Rufus ist mutig und der Drache ziemlich hochnäsig. Er lacht schallend, als er das Ritterchen mit seinem kleinen Schwert sieht – so will er nicht mit ihm kämpfen. Das findet er unfair. Immer und immer wieder schickt der große, fürchterliche Drache Rufus ins Dorf, um sich noch besser zu bewaffnen – und letztendlich finden die beiden den Kampf, in dem sie sich gleichwertig gegenüberstehen.

Diese kleine Geschichte von einem stigmatisierten Drachen, der doch lieber plaudern und spielen möchte, ist putzig und schön bebildert. Sie erzählt etwas über den Mut, zu sich selbst zu stehen genauso wie über den Mut, über seine eigenen Grenzen zu gehen – und in Situationen Lösungswege zu erkennen, die vorher nicht diskutabel waren. Wäre vielleicht gerade auch was für unsere Politiker.