Die Charité: Hoffnung und Schicksal

Diese ungekürzte Lesung auf mehreren mp3-CDs ist keinen Moment langweilig. Die Geschichte spielt in Berlin in den 1830ern. Hauptspielort ist die Charité – das Krankenhaus, das auch heute noch Geschichte schreibt. Der Kampf der Ärzte gegen die Cholera, Kindbettfieber, Pflegerinnen, die ihren Job mit dem in einer Strafanstalt verwechseln und gesellschaftliche Zwänge, die Frauen dazu zwingen, an Heim und Herd zu bleiben – wenn sie es sich leisten können – all diese Themen kommen nicht zu kurz.

Die eigentlichen Hauptpersonen aber sind die Frauen: Gräfin Ludovica, gebunden in unglücklicher Ehe und eigentlich schwer verliebt in den Arzt ihres Mannes, Martha, die Hebamme, die ihren kleinen behinderten Sohn durchbringen muss und Schwester Elisabeth, die in die Gemeinschaft eines Pfarrers flüchtet, um als Diakonisse ein Zuhause zu haben und besser pflegen zu können. Und in der doch eigentlich ein ganz anderes Potenzial steckt.

Die Leben dieser Frauen sind durch ein oder besser mehrere unsichtbare Bänder verbunden. Und es gelingt der Autorin und vor allem auch der Sprecherin Beate Rysopp, einen in die Schicksale regelrecht hineinzuziehen. Mitzuleiden. Mitzuhoffen.
Besonders interessant sind auch die Einblicke in die Tiefen der Medizin im 19. Jahrhundert. Über Behandlung ohne Schmerzmittel, das Austreiben von Geschlechtskrankheiten mithilfe von Quecksilber oder die ersten Erfolge bei Augenoperationen.

Ksss!: Lise, Paul und das Garderobenmonster

Sie ist ja ganz niedlich, die Idee, dass zwei Außenseiterkinder wie Lise und Paul auf ein kleines Monster treffen, das ähnliches durchlebt hat. Sie finden es in der Turnhalle, es sieht aus wie einer dieser Puschelschlüsselanhänger in grün und ist aus der Monsterwelt geflogen, weil es nicht wirklich gruselig ist. Lise und Paul versuchen alles, um es dem kleinen Kerl gutgehen zu lassen, sie füttern ihn und besuchen ihn, so oft sie können. Dabei müssen sie nur dem „Scheurer“ aus dem Weg gehen, dem Prototyp des grässlichen Schulhausmeisters, der ihnen dauernd nachstellt, ihnen Angst macht und eine Menge Grenzen dabei übertritt. Erfreulicherweise gibt es da eine aufmerksame Lehrerin, die ihn in seine Schranken weist. Und auch von Lises Mutter kommt Unterstützung.
Trotzdem fehlt dieser Geschichte irgendwie eine ganze Menge. Spannung kommt nicht auf, stattdessen ein schales Gefühl – immer wieder. Nicht nur beim Hausmeister, auch bei den Hänseleien auf dem Schulhof, bei den blöden Sprüchen Erwachsener und bei den schon ziemlich an den Haaren herbeigezogenen Versuchen der Kinder, dem Monster das Angstmachen beizubringen. Auch die Lösungen zum Beispiel zum Thema Mobbing sind reichlich wenig hilfreich.

Am unangenehmsten aber ist die Sprache. Mal abgesehen davon, dass der Lektor durchaus hätte hier und da mehr kürzen dürfen und der Text ein gutes Stück mehr Schwung vertragen hätte: Es werden Ausdrücke verwendet, die man vielleicht in der Schweiz versteht, aber nicht bei uns. Es ist normal, dass man einem Kind beim Vorlesen mal das eine oder andere Wort erklären muss, aber wenn man selbst erst nachschlagen muss, dann stimmt was nicht. Vor allem nicht bei einem Buch, das ja eigentlich bereits für junge Selbst-Leser gedacht ist. Schade, denn Daniele Meocci weiß es eigentlich besser. Der ausgebildete Lehrer hat bereits einen Literaturpreis verliehen bekommen.

Die Droge Verwöhnung

Prof. Dr. Jürg Frick von der Pädagogischen Hochschule Zürich weiß, was Verwöhnung bei der Erziehung bedeutet und welche Folgen sie hat. Denn die entscheidende Frage in der Erziehung ist immer: Wie viel darf und muss ich auch einem Kind abverlangen, was kann ich ihm zumuten, damit eine gesunde Entwicklung möglich wird? Denn ein Kind muss gefordert werden. Weder ein zu strenger, noch ein zu laxer Erziehungsstil mit Dauerverständnis führen zu einem gesunden Ergebnis.

Es ist Jürgen Frick ein Anliegen, dem Leser nahezubringen, dass Verwöhnung verheerende Folgen haben kann. Er spricht gar von einer „subtilen Form des Kindesmissbrauchs“. Doch woher sollen die Eltern das wissen? Sie meinen es ja nur gut und auch in Fachkreisen war in den letzten Jahrzehnten kaum mal die Rede davon. Overprotection gab es zwar – aber das trifft es nicht zu 100 Prozent.

Das Verwöhnen zeigt sich in vielen Aspekten des Alltags. Das kann sein, dass die Eltern dem Kind zu wenig zutrauen und ihm möglichst alles abnehmen, es überbehüten (Helikoptereltern), es mit Materiellem und Immateriellem (wie z.B. Zuneigung) überhäufen, von ihm keine Anstrengung erwarten, es über Gebühr loben, es verhätscheln und ihm keine Grenzen setzen. Jeder von uns wird sich in irgendeinem der Punkte mal wiederfinden. Denn die Grenzen sind fließend.

Zudem gibt es klassische (Lebenssituationen), in denen es schnell zu verwöhnenden Mustern kommen kann: Trennung, nach Krankheiten oder Unfall, bei Zeitdruck oder unter Beobachtung – das kann auch mal okay sein, darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Denn: „Das Beste, was eine gute Fee einem Kind in die Wiege legen kann, ist eine Menge Probleme oder Aufgaben – sie sollen nicht zu leicht sein, damit sich das Kind anstrengen muss (…) und sie sollten auch nicht zu schwer sein, weil sonst das Kind wiederholt scheitert und entmutigt wird.“

Aber das Gute ist und das gilt ja prinzipiell für jeden Fehler, der uns in der Erziehung bewusst wird: Wir können es anders machen. Und damit schnell etwas bewirken.

Erik Ole Lindström: Meja Meergrün

Meja Meergrün ist eine kleine vorwitzige Nixe, ihre Eltern sind weit weg und sie lebt derzeit ganz alleine in einem kleinen Haus unter dem Meeresspiegel. Doch sie bleibt nicht lange alleine, denn eines Tages bekommt das kleine Meermädchen ein Päckchen, dem etwas Lebendiges entsteigt: eine Kummerkröte, die auf das Wassermädchen aufpassen soll. Das findet dieses ja erst mal nicht so toll, denn eigentlich gefällt ihr das mit der Freiheit recht gut, aber als sie sich mehr und mehr in Abenteuer verstrickt, ist es doch ganz gut, dass Padson dabei ist und ihr hilft.
Das Cover ist – wie sehr oft bei Coppenrath – wieder einmal herausragend und spricht glitzernd die Zielgruppe der Grundschulmädchen perfekt an. Der Inhalt allerdings konnte nicht so ganz überzeugen. Weder von der Sprache noch vom Geschichtenaufbau her. An manchen Stellen zieht sich die Story, an anderen wird sie fast ein bisschen zu gruselig. Aber vielleicht sind Lindströms Kinder härter im Nehmen als der Durchschnitt, denn eigentlich ist die Geschichte von Meja Meergrün im heimischen Kinderzimmer entstanden.

Franziska Kalch: Alte Herren und alte Damen

Was unterscheidet alte Herren von alten Damen? Welche Klischees stimmen und in wie vielen Punkten sind sich die beiden Gattungen Mensch doch nicht so unähnlich wie sie glauben? Franziska Kalch hat sich des Themas mit sehr viel Humor angenommen. Liebevoll porträtiert sie die Eigenheiten alter Menschen und gleichzeitig ihre enorme Ähnlichkeit mit der Zielgruppe. Denn echte alte Menschen sind solche mit Lebenserfahrung. Und die, die sich das Kind im Manne bzw. der Frau erhalten haben.

Ein niedliches Bilderbuch gegen Vorurteile und für Verständnis, Toleranz und Spaß am Leben.

lonely planet kids: Die spannendsten Städte der Welt

Wer gerne reist, kennt „lonely planet“ – die weltbesten Reiseführer aus Australien. Daher wird man gleich hellhörig beim Titel dieses Kinderbuchs über die wichtigsten Städte dieses Planeten. Man startet die Weltreise in Toronto mit seinen unterirdischen Gängen, reist weiter über Philadelphia und über Ushuaia in Argentinien nach Moskau und Berlin, um ganz zum Schluss in South Tarawa in Australien zu landen. Um dort etwas anderes zu essen als Fisch und Kokosnuss, muss man schon aufs nächste Flugzeug warten und wenn man zur Schule will, dann könnte man theoretisch hinschwimmen – wenn da nicht die Haie wären.

Dieses wunderschöne und informative Buch ist reich bebildert und mit zahlreichen kurzen, aber dafür umso interessanter ausgewählten Texten versehen. Es ist genau das Richtige, um allein oder mit einem Elternteil zwischendrin sich mal ein paar Minuten zu nehmen und zu stöbern. Wo würde man gerne hin, was findet man selbst am schönsten? Hier finden auch Erwachsene eine ganze Menge Neues und Fakten, die sie noch nicht kannten. Anlass für Gespräche gibt es genug – und so soll ein Kinderbuch sein! Anregend, spannend, informativ und trotzdem leicht zu lesen.

Chandler Baker: Das Ende ist erst der Anfang

Lake wird in wenigen Wochen 18. In der Gesellschaft, in der sie lebt, hat sie dann die Möglichkeit, einen Menschen vom Tod auferstehen zu lassen. Für ihre Eltern ist schon lange klar, dass das ihr querschnittsgelähmter Bruder Matt sein wird. Und Lake, die ihren Bruder so wie er seit seinem Unfall ist, gar nicht mehr leiden kann, hat sich in ihr Schicksal gefügt. Doch dann passiert ein fürchterlicher Unfall und nicht nur ihr Freund, sondern auch ihre beste Freundin sterben dabei. Lake weiß nicht, was sie tun soll und verzweifelt fast. Bis sie Ringo trifft, der ihr den richtigen Weg aufzeigt.

Ein wunderbares Jugendbuch über die Themen Selbstbestimmung und die Qual der Wahl. Der Weg, den Lake geht, ist kein einfacher. Wie soll man entscheiden, wer wichtiger ist? Der Mann, den man liebt und der vielleicht doch nicht der war, den man gesehen hat? Die beste Freundin – die einem so arg fehlt und die Geheimnisse hatte, von denen man nichts ahnte oder doch der Bruder, den man als kleines Kind verehrt hat und von dem man erst jetzt versteht, warum er so griesgrämig geworden ist … man möchte nicht in ihrer Rolle stecken. Und kann das Buch kaum weglegen, bis man weiß, wie Lake sich entschieden hat.

Janisch/Soganci: Schenk mir Flügel

Eines Tages malt ein Kind einen Engel und der weiß genau was er will. Beziehungsweise, was er nicht will. Nämlich stinknormale Flügel. Das Kind soll sich was einfallen lassen und das tut es auch. Es malt Flügel aus Gras und solche aus Glas, es malt welche aus Papier und andere aus Schatten, aus Sonnenstrahlen oder Meereswellen. Für welche sich der kleine Engel entscheidet, sei hier nicht verraten. Nur so viel: Er bliebt nicht der einzige, der fliegen konnte.

Ein wunderschönes Bilderbuch nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Die Zeichnungen sind leicht und phantasievoll und die Materialien, die das Kind für die Flügel seines Engels nutzt, regen zum Gespräch an.

Judith Allert: Hilda Heidelbeer und das magische Ei

Gerade war das Haus noch ein ganz normales Haus und plötzlich ist es bewohnt, ja regelrecht belebt. Wie und wann das passiert ist und warum gerade der ängstliche Frederik und die deutlich forschere Anna gemeinsam dort gelandet sind, ist ihnen beiden ein Rätsel. Genau wie Hilda, deren Eltern oben im Arbeitszimmer wie wild an einer Geschichte arbeiten und nicht gestört werden dürfen. Und die es sich mit einem Muli, einer Schildkröte à la Momo und einer Wundereier legenden Henne gemütlich gemacht hat. Die Zeit mit Hilda wird abenteuerlich für die beiden Kinder – mit äußerst überraschendem Ende.

Ein Buch über Mut, Selbstfindung und Sich-Behaupten, eher für Mädchen als für Jungs. Die Geschichte rund um Hilda Heidelbeer ist farbenfroh, phantasievoll, überraschend und auch ein bisschen tröstlich.

Ulrich Hoffmann: Konzentrieren ist ja ganz leicht

Das Kind hat bestimmt ADHS – diesen Satz kann man seit ein paar Jahren dauernd hören. Bevorzugt im Zusammenhang mit lebendigen Jungs, denen das stundenlange Stillsitzen von Natur aus schwerfällt und die einfach nicht dafür gemacht sind, Ausmalbildchen zu gestalten. Eine Entwicklung, die bedenklich ist.

Trotzdem ist es nicht zu leugnen, dass viele Kinder unter Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Woran das liegt, dafür kann es viele Gründe geben. Ein hektischer viel zu vollgepackter Alltag, in dem kein Raum bleibt für ruhiges Ins-Spiel-Versinken kann einer der Gründe sein. Denn es braucht Ruheinseln,um immer wieder von der Anspannung in die Entspannung zu kommen. Wenn allerdings wir Erwachsenen das auch nicht schaffen, wie soll es dann den Kindern gelingen?

Da kommt dieses kleine Büchlein, das sich mit Meditationen für Kinder im Grundschulalter beschäftigt, gerade recht. Mit der CD, die von Wissen-macht-ah-Moderator Ralph Caspers besprochen ist. Drei bis vier Minuten, Vorkenntnisse sind nicht nötig – nur wiederholen ist wichtig. Einfach mal ausprobieren und unbedingt mitmachen. Es lohnt sich!

Aus der Reihe noch erschienen: „Keine Angst vor niemand“ und „Einschlafen ist gar nicht schlimm“.