Riikka Pulkkinen: Die Ruhelose

“Die Ruhelose“ ist Riikka Pulkkinens Debütroman. Die Finnin beschreibt das ganz ähnliche und sich doch enorm unterscheidende Schicksal zweier miteinander verwandter Frauen: Anja, deren Mann schwer an Alzheimer erkrankt ist und die mit sich hadert, ob und wie sie ein gegebenes Versprechen einhalten kann und ihre Nichte Marie, die eine äußerst heikle Beziehung zu einem jungen Lehrer eingegangen ist und sich dabei leidenschaftlich in eine Liebe stürzt, die aussichtslos ist. Zwei Frauen, die vor der entscheidenden Frage ihres Lebens stehen: Wie weit darf und will und soll und muss man gehen für die Liebe?

Die Universitätsprofessorin Anja scheint zunächst an dieser Frage zu verzweifeln und findet doch, genau wie Marie ihren ganz eigenen Weg, damit umzugehen.

Riikka Pulkkinen, Jahrgang 1980, ist eine der erfolgreichsten jungen Autorinnen Finnlands. Doch auch, wenn ihr Debüt dort bereits etliche Preise einheimsen konnte, so ganz überzeugend ist es doch nicht. Ob das an der deutschen Übersetzung liegt? Denn das Buch hat etwas, keinen Zweifel, die Thematik ist interessant und entspricht komplett dem Zeitgeist unserer Gesellschaft und doch fehlt etwas. Das entscheidende Etwas, das den Leser so richtig in seinen Bann zieht.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Chrystal Meth – Wie eine Droge unser Land überschwemmt

Der Psychiater Dr. Roland Härtel-Petri, ehemals Leiter des Therapiezentrums für Alkohol- Medikamenten- und Drogenabhängige in Hochstadt am Main, und der Journalist Heiko Haupt befassen sich in ihrem Buch ausführlich mit der Droge Chrystal Meth und ihren Auswirkungen auf Körper und Seele. „Batteriesäure, Farbverdünner, Abflussreiniger – kaum ein vernünftiger Mensch würde diese Substanzen freiwillig zu sich nehmen. Doch sie sind typische Grundstoffe einer Droge, die in großen Schritten Deutschland erobert.“ Das Buch stellt anhand von „lebenden“ Beispielen dar, welche Auswirkungen die Droge langfristig hat. Im Wechsel mit gut recherchierten Erkenntnissen und Forschungsergebnissen greifen sie immer wieder ein wichtiges Thema auf: die Abhängigkeit. Schließlich ist Chrystal ist die Droge, die nach Cannabis weltweit am häufigsten konsumiert wird, die aber in Deutschland bisher am wenigsten beachtet wurde. Seit einiger Zeit rücken die gefährlichen Kristalle mehr und mehr auch in den Fokus der Politik. Man muss handeln, das weiß man inzwischen. Doch wie, ist unklar. Denn die Konsumenten sind nicht unbedingt nur im Drogenmilieu zu finden, sondern ebenfalls in Schulen, in Ausbildungsstätten, an Universitäten, beim Sport, aber auch in der Arbeitswelt und auf Elternabenden.

Crystal Meth zieht sich quer durch alle Bevölkerungsschichten, mit verheerenden Auswirkungen nicht nur auf Körper und Seele, sondern auch auf die Gesellschaft an sich. Das Nervengift kann schon nach kurzer Zeit zu schweren Schäden führen. Es wurde bereits im Zweiten Weltkrieg unter dem Namen Pervitin flächendeckend eingesetzt und später als „Hausfrauenschokolade“ in Form von kleinen, nur leicht dosierten Pralinen, die den Alltag erleichtern sollten, verbreitet. Heute gilt das Methamphetamin, das sehr schnell reizbar und abhängig macht, als eine der gefährlichsten Drogen der Welt.

Das Buch ist leicht lesbar, beachtet alle Aspekte und ist daher auch für diejenigen in gewisser Weise lehrreich, die bereits einiges über Drogen wissen bzw. mit Drogensüchtigen arbeiten. Im Gegensatz zu vielen anderen Drogen-„Ratgebern“ ist dieses Werk weder aufgemacht wie eine pseudocoole Anleitung zum Selbstbrauen noch wie etwas, was oberlehrerhaft daherkommt und von jemandem geschrieben ist, der offensichtlich seine Ahnung von sonstwo hat, aber nicht aus der Szene selbst. Hier merkt man, dass die Autoren authentisch sind.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Christina Moracho: Zwillingssterne

Althea und Oliver sind unzertrennlich. Sie verleben ihre Kindheit zusammen, die Jugend, den ersten Kuss – doch bevor sie ihr vertrautes Dasein genießen können, passiert etwas Seltsames. Oliver fällt immer wieder in einen tiefen Schlaf, der manchmal Wochen, manchmal aber auch Monate dauert. Die kurzen Momente, in denen er wach ist, sind Momente, in denen der Junge nicht er selbst ist. In denen er lediglich seine Akkus füllt und wie ein Zombie agiert. Doch Altheas Leben geht weiter. Sie färbt sich die Haare, beginnt zu rauchen, hört mit dem Sport auf, verändert sich komplett. Die Gefahr der Entfremdung wird immer größer. Bis seine Mutter herausfindet, was mit Oliver los ist. Doch gibt es Hoffnung auf Heilung? Und was ist dann mit der jungen Liebe, wenn Oliver dazu wegmuss? Wie wird es den Zwillingen ergehen?

Die Geschichte, ein Debüt, endet anders, als man erwarten würde, Und ist vielleicht genau deswegen ziemlich spannend. Sucht doch jeder von uns irgendwie seinen Seelenverwandten. Und wer will ihn dann, wenn er ihn gefunden hat, schon wieder aufgeben?
3.0 Stars (3,0 / 5)

Elisabeth Vollmer: Picknick in der Badewanne

In diesem Buch werden 24 Geschichten aneinandergereiht, immer auf Grundlage der gleichen Familie. Die Kinder erfahren viel über das Familienleben der Schreibers, den Eltern Anke und Christian sowie den drei Kindern Silas, Julia und Lena. Ob es kleine Streiche sind, angstvolle Momente oder liebevolle – immer vor dem Hintergrund der Gottesgläubigkeit. Das macht es allen anderen Familien ein bisschen schwer beim Vorlesen. Denn wer nicht ganz so gläubig ist und/oder seinen Kindern etwas anderes vermittelt, hat bisweilen echte Schwierigkeiten auszuweichen. Ein weiterer riesiger Kritikpunkt: Die Geschichte, in der es um das Thema Scheidung bzw. Trennung geht. Denn wie es sich für eine gottesfürchtige Familie zu gehören scheint, sind die Eltern doch glatt in der Lage, ihren Kindern zu versprechen, dass sie sich immer lieben und achten werden. Wie muss sich da ein Kind fühlen, dessen Eltern das auch versucht haben, aus weltlichen oder welchen Gründen auch immer aber daran scheiterten? Das sollte sich die Autorin vielleicht doch mal überlegen. Denn es mag sein, dass sie oder die Figuren in ihren Büchern dieses Glück haben – Millionen von Frauen (und auch Männer) stehen alleine mit ihren Kindern da. Und das liegt sicher nicht daran, dass sie nicht an Gott glauben.

Wer sich auf dem Buchmarkt auskennt, der weiß, dass Gerth Medien eine kirchliche bzw. religiöse Tendenz hat. Wer aber zu dem Buch greift, weil es so nett aussieht, weil ihn die Fragen am Schluss eines jeden Kapitels begeistern oder weil es sich so gut als Adventskalender eignet, der mag enttäuscht sein.
1.0 Stars (1,0 / 5)

Anica Schriever: Wer ich sagt, muss auch liebe dich sagen


Bald wird Mia 30 und alles läuft schief. Der Mann, von dem sie sich einen Heiratsantrag erhofft hat, schmeißt sie stattdessen raus und zwar nicht nur aus seinem Leben, sondern auch gleich aus der Wohnung. Als sie dann auch noch den Job verliert, langt’s ihr. Sie flüchtet zu ihrem alten Busenfreund Gunnar. Wobei sie ganz vergessen hat, dass sie mit ihm einmal eine Wette bezüglich der Männer und ihres vollendeten dritten Lebensjahrzehnts abgeschlossen hat.

Diese Situation und noch ein paar andere so ganz zuuuufällige Zufälle sind der Rahmen einer Geschichte, die sich einreiht in Tausende anderer ihrer Art. Und dabei liegt sie gut im Mittelfeld. Weder besonders herausragend noch besonders schlecht. Ein typischer Roman, der unter dem Stichwort Frauen in die Regale der Buchhändler einsortiert wird. Wobei es durchaus eine Menge Frauen gibt, die lieber zu etwas anderem greifen.
1.5 Stars (1,5 / 5)

Marina Boos: App ins Glück – Installieren, Herz verlieren

Die fünfzehnjährige Fee ist so richtig angenervt. Nichts passt. Äußerlich hat sie eine ganze Menge an sich auszusetzen, fühlt sich ihrem Namen überhaupt nicht gerecht und dass sie ihre Wochenenden eher zuhause als auf spannenden Partys verbringt, macht sie auch nicht gerade glücklich. Doch als echter Digital Native weiß Fee sich zu helfen. Sie programmiert sich einfach selbst eine App, die ihr helfen soll, hip zu werden. Und die ganz nebenbei auch noch in der Lage ist, Alarm zu schlagen, wenn der ach-so-ersehnte Prinz endlich anreitet. Aber was da angeritten kommt, ist so ganz und gar nicht in Fees Sinn.

In Ich-Form erzählt spricht dieses Buch einem weiblichen Teenie mitten aus dem Herz. Der Roman ist perfekt zugeschnitten auf die Zielgruppe und hat das Zeug, Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren dazu zu bringen, sogar mal das Smartphone aus der Hand zu legen.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Paul Friester/Philippe Goosens: Heule Eule – Nein, ich lass niemand rein!

Wenn Mama sagt, dass keiner reindarf, dann lässt die kleine Eule auch keinen rein. Basta. Und wenn die Mama selbst vor der Tür steht. Man kann ja nicht wissen, ob sie es wirklich ist, oder? Doch zum Glück fällt dem klugen Raben noch eine Lösung ein: Schließlich gibt es Geheimnisse, die nur die beiden wissen – und böse Gangster oder gar Kinderdiebe nicht wissen können.

Das Thema dieses Buches ist richtig wichtig. Was aber irgendwie nicht so gut ankommt, auch bei den Kindern nicht, ist der Name der Eule. Die Heule Eule erleben wir hier nicht zum ersten Mal und bei ihrem Debüt mag der Titel noch gepasst haben, schließlich ging es da darum, dass die Heule Eule Trost brauchte. Aber in diesem Fall kommt es so rüber, als sei sie eine alte Heulsuse. Und das passt nicht. Denn die kleine Eule macht nur, was Mama ihr gesagt hat und was dadurch auf sie einstürmt, macht ihr verständlicherweise Angst.

3.4 Stars (3,4 / 5)

Rick Kirkman/Jerry Scott: Attacke aus dem Kinderzimmer

Eltern von drei und mehr Kindern, die Baby Blues nicht kennen, haben einen großen Erleichterungsfaktor in ihrem Leben verpasst. Denn nichts ist beruhigender als die Tatsache, dass es anderen genauso und zwar ganz genauso geht wie einem selbst. Egal, ob in Amerika oder hier bei uns. Elterliche Privatsphäre ist etwas, von dem Kinder jahrelang denken, es sei komplett überbewertet. Beziehungsweise überhaupt nicht vorhanden. Der reine Wunsch: strafbar. Diese Erfahrung machen auch Babs und Paul, deren drei Racker langsam in das Alter kommen, in dem man wirklich keine ruhige Minute mehr zu haben scheint. Zumindest nicht gemeinsam. Die sich durch die Baby Blues-Bücher wie durchs wahre Leben ziehende kinderbedingte Demenz bei Babs, Jungs, die keine Gute-Nacht-Küsse mehr verteilen wollen und die Frage, wer darf rülpsen und wer nicht sind nur Teile eines wieder einmal gut gelungenen amüsanten Ganzen.

Die unverkennbaren Zeichnungen, der Witz, der sich oft nur Eingeweihten wirklich erschließt und die Möglichkeit, dieses Buch jederzeit weglegen zu können, wenn jemand nach einem schreit – und zwar, ohne später stundenlang nach dem Anschluss zu suchen, machen auch dieses Comic wieder aus.

Es ist nicht eines der besten Bücher aus der Reihe, aber die Tatsache, dass es sich hier bereits um Band 16 handelt, zeigt trotzdem, wie wenig oder positiv betrachtet, wie viel Eltern zu lachen haben.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Cory Silverberg/Fiona Smyth: Wie entsteht ein Baby?

Dieses Buch ist eines von denen, die kleinen Kindern erklären sollen, wo sie herkommen. Sehr bunt gehalten, teilweise mit Figuren, die aussehen wie außerirdische Lichtgestalten mit Gebärmutter oder Samenzellen und mit Erklärungen, die dann doch wieder der Sache mit den Bienen in nichts nachstehen, versuchen Cory Silverberg und Fiona Smyth sich in der Aufklärung. Was gelinde gesagt, dann doch eher schiefgeht.

Getestet an fünfjährigen Kindern war das Ergebnis reine Ratlosigkeit. Schon allein an dem Punkt, an dem beschrieben wird, dass die Geburt Menschen „ganz doll“ wehtun kann. „Männern auch?“ ist da die logische Frage.

Trotzdem gibt es positive Aspekte: Die Zeichnungen über die Entwicklung des Kindes innerhalb der ersten Wochen sind anschaulich, der Tanz der Zellen zwar komplett übertrieben aber nah an der derzeitigen Forschung über die Informationen einzelner Zellen und deren Weitergabe und damit eine gute Gesprächsgrundlage für Fans des Body Mind Centering und auch die Tatsache, dass ein Kaiserschnitt ebenfalls erwähnt wird, ist gut und fällt aus dem Rahmen der üblichen Aufklärungsbücher. Das ist aber auch schon alles. Leider.
1.0 Stars (1,0 / 5)

Rowan Coleman: Einfach unvergesslich

“Einfach unvergesslich“ erzählt die Geschichte von Claire, die bereits in jungen Jahren, genau wie ihr Vater an einer degenerativen Gehirnkrankheit erkrankt, dies aber noch jahrelang vor ihrer Familie und ihrer Umgebung und letztendlich auch vor sich selbst verheimlichen kann. Sie hat zwei Töchter, zum einen Caitlin, die bereits im studierfähigen Alter und gleichzeitig bereits schwanger ist und Esther, erst drei Jahre alt und das Ergebnis einer ganz großen Liebe zu dem deutlich jüngeren Handwerker Greg, mit dem sie erst seit Kurzem verheiratet ist.

Rowan Coleman schrieb keine Geschichte mit Riesenspannungsbogen, im Gegenteil, sie plätschert eher. Aber im positiven Sinne. Erzählt aus vier Perspektiven ergibt sie erst so ein Gesamtpuzzle von Claires Schicksal, das ja letztendlich nicht nur ihres ist. Es ist verbunden mit dem ihres Mannes, dem ihrer Mutter und vor allem mit dem ihrer Töchter. Sie alle müssen lernen, langsam aber sicher Abschied zu nehmen.

Die Dramatik, die in dieser Geschichte steckt – übrigens überwiegend gut gelesen – eröffnet sich dem Zuhörer erst im Lauf der Zeit, dann aber umso heftiger, mit einem überraschenden Ende. „Einfach unvergesslich“ ist tatsächlich unvergesslich. Vor allem dann, wenn man selbst bereits erlebt hat, wie ein Mensch durch Demenz oder Alzheimer sich Stück für Stück von einem Richtung Vergangenheit entfernte und zwischendurch doch wieder ganz da war. Etwas, was im Lauf der Zeit immer mehr von uns passieren wird.
4.8 Stars (4,8 / 5)